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FBM 2023 – Donnerstag (2/5): Otto gratuliert

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik, Unterhaltung | 19. Oktober 2023 | 21:30:03 | Roland Müller

Donnerstag. Wir stürzen uns wieder für Euch ins Messegetümmel. Und ja, da kann man Otto nur zustimmen: Auch diese Messe ist wieder eine „mess“. Aber davon lassen wir uns nicht abhalten. So wenig, wie die Hunderte und Aberhunderte von Besuchern, die sich auf der riesigen Jubiläumswand im Gang vor Halle 4 mit mehr oder weniger intelligenten Grüßen verewigen.

Wir sind zwar recht früh unterwegs, aber es herrscht schon deutlich mehr Betrieb als gestern. Nicht nur bei Hanser in Halle 3.1. Und die in diesem Jubiläumsjahr jubiläumsbreiten Gänge werden sich im Verlauf des Tages deutlich füllen.

Auch auf der Bühne der FAZ ist einiges los. Gestern noch ein einsamer Barrista im Zwiegespräch, heute ein voll besetztes Auditorium, das sich mit FAZ-typisch komplexen Themen auseinandersetzt. Diesmal Demokratie und Populismus, Fake News und höhere Lesefähigkeiten. Wir hören kurz hinein und können nur zustimmen: Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen mangelhafter Lesefähigkeit und der Anfälligkeit, auf Fake-News und damit demokratiegefährdende populistische Manipulationsstrategien hereinzufallen. Doch weiter! Heute wollen wir uns etwas mehr als gestern auf Neuerscheinungen, aber auch auf Bewährtes konzentrieren und – wie alle Jahre wieder – handfeste Lesetipps aussprechen …

In den Tropen, nein, bei Tropen werden wir fündig. Nicht unbedingt bei Herrn Helgason, dem schlagkräftigen Isländer …

… Sondern bei Jean-Christophe Grangé, der mit Die Marmornen Träume einen veritablen Thriller vorlegt, der im Berlin des Nationalsozialismus spielt. Vielleicht kein Pageturner, aber wer Die Purpurnen Flüsse gelesen hat, weiß um die erzählerische Qualität von Grangé.

Berlin gibt generell eine perfekte Kulisse ab für einen spannenden Thriller. Das Berlin des Jahres 1939 ganz besonders. Das wissen wir nicht erst seit der Erfolgsserie Babylon Berlin. Wir haben das Buch kurz angelesen und sind überzeugt: Das ist unser erster Lesetipp der diesjährigen Frankfurter Buchmesse!

Gleich nebenan finden wir endlich mal wieder etwas Neues Altes von Cyberpunk-Altmeister William Gibson: Peripherie. Erschienen bereits 2016. Aber mit Auflegen der Prime-Streamingserie wieder aktuell.

Nicht unbedingt ein weiterer Lesetipp, aber allein schon deswegen eine Beinah-Pflichtlektüre, um festzustellen, ob Gibson sich erzählerisch weiterentwickelt hat. Und ob die Sttreamingserie der Vorlage gerecht wird.

Wir schlendern weiter und kommen am Stand des von uns heißgeliebten mareverlags vorbei. Einer der wenigen Verlage, bei dem wir blind fast jede Neuerscheinung kaufen würden. Und das nicht erst, seit ein Gentleman über Bord gegangen ist.

Natürlich schauen wir auch beim Kampa Verlag vorbei. Und wie der Messezufall so spielt, treffen wir genau jenen Autor im Gespräch mit einer Verlagsvertreterin vertieft, dessen aktuellen Krimi Der Böse Vater wir ebenfalls auf unserer Beobachtungsliste haben – Christof Weigold.

Tatsächlich schon wieder ein historischer Krimi. Dieser spielt im Hollywood der späten zwanziger Jahre, zu dem Zeitpunkt, als der Stummfilm vom Tonfilm bedrängt und schließlich abgelöst wurde. Ein spannendes Set-up und eine fesselnde Handlung. Ein bischen im Noir-Stil, geschrieben von einem Autor, der selbst große TV- und Drehbucherfahrung hat.

Zudem war Weigold lange Jahre einer der Autoren der legendären Harald-Schmidt-Show. Was allerdings für uns keine Rolle spielt, wenn wir seinen Hollywood-Thriller um den zwielichtigen Privatdetektiv Harry Engel als unseren zweiten Lesetipp präsentieren!

Wer fürs Weihnachtsfest noch ein handliches Geschenk sucht, dem es allenfalls an christlicher Nächstenliebe mangelt, der wird ebenfalls bei Kampa fündig. Rotes Lametta versammelt eine Reihe recht blutiger Weihnachtsgeschichten …

… von illustren Autoren wie Michael Connelly, Henning Mankell und anderen Autoren ähnlicher literarischer Gewichtsklasse. Ein wirklich nettes Geschenk, das uns der Kampa Verlag da macht.

Wir wandern weiter, immer auf der Suche nach literarischem Beutegut, das zu empfehlen sich lohnt. Wie bereits gestern passieren wir die Schiefertafel NordSüd, auf dem die Messebesucher :innen aufgefordert werden, zu erzählen, was ihr Leben bunt macht. Mittlerweile hat sich die Tafel ganz schön gefüllt.

Wir entscheiden uns für einen Positionswechsel und drängeln uns mit anderen auf den mittlerweile unter der Last ächzenden Rolltreppen zur nächsten Etage.

Unser Ziel ist unter anderem der Stand des Dumont Buchverlags. Denn wir wissen, dass wir hier etwas finden werden, was jeden echten „Bookie“ zu begeistern vermag …

Der neue Murakami. Haruki Murakami stellt mit Honigkuchen sein neuestes Machwerk vor. Auf den ersten Blick können wir es nur schwer einordnen. Kinderbuch? Märchenbuch? Oder einfach nur ein typischer Murakami, also melancholisch phantastische Erzählkunst, die oft genug gängige Genreregeln bricht oder gar ignoriert?

Der Text auf der Rückseite macht schnell klar: Ja, das ist wieder ein typischer Murakami! Neugierig geworden, lesen wir die erste Seite an …

Was wie eine Kindergeschichte beginnt, eine Geschichte, die ein Vater seiner kleinen Tochter erzählen mag, gewinnt schnell an Tiefe und rührt am Grundsätzlichen des Lebens und Liebens. Ja, wir lieben Murakami. Auch diesen. Deshalb: Unser dritter Lesetipp!

Wir ziehen weiter und stolpern über Vaters Meer. Beziehungsweise über Deniz Utlu, der gerade sein sehr erfolgreiches Buch im Rahmen des Bayerischen Buchpreises 2023 präsentiert. weiß Gott nicht die erste Auszeichnung, die er dafür erhält. Und allemal berechtigt.

Wir hingegen sind unterwegs zu einem anderen Buchpreis, noch südlicher gelegen. Nämlich der Schweizer Buchpreis 2023. Am Gemeinschaftsstand der Schweizer Verlage haben wir auch in früheren Jahren schon spannende Entdeckungen gemacht. Und heute? Wir stöbern ein bisschen …

Und plötzlich macht es Glitsch! Glitsch von Adam Schwarz ist für den Schweizer Buchpreis nominiert und im Zytglogge Verlag erschienen (es muss nicht immer Diogenes sein!). Der Roman lässt sich in das noch junge Genre Climate Fiction einordnen und verfolgt einen sehr interessanten Ansatz …

Nämlich eine schräge Mischung aus surrealen Elementen, knallharter Informatik ( ein Glitsch ist eine spezifische Art von Computerfehler) und einer stilistischen Raffinesse, die nach unserem ersten Eindruck eine leichte Seelenverwandschaft zu T. C. Boyle erahnen lässt. Ob gewollt oder ungewollt, sei mal dahingestellt.

Wir lesen die erste Seite an, dann eine weitere mittendrin und das Ende. Und ja. Das hat was. Wir wollen hier nicht spoilern, sondern erklären Glitsch einfach zu unserem vierten Lesetipp!

Meist ist es ja so, dass sich an der Peripherie der Ausstellungsflächen der Messehallen kleinere, exotischere oder sogar skurrilere Aussteller platziert sehen. An diesem hier konnten wir dann auch nicht unkommentiert vorübergehen. Die Edition Porsche (Porsche verlegt Bücher? Klar, Bildbände, was sonst!) hatte den ultimativen Blickfang aufgefahren, einen Porsche 356 der erste Serie, direkt aus dem Porsche Museum. Versicherungswert vermutlich … nein, da wollen wir gar nicht drüber nachdenken. Jedenfalls ein schönes Stück Technikgeschichte. Und bevor jemand auf dumme Gedanken kommt: Nachts wird das Teil natürlich bewacht!

Im Anschluss, der Nachmittag war schon deutlich vorangeschritten, haben wir noch einen Termin wahrgenommen am Stand des Bundesverbands junger Autoren (BVjA), wo wir Karin Seemayer antrafen, die gerade im Turnus die Wacht am Stand wahrnahm. Begleitet von einer nicht ganz unbekannten Buchbloggerin …

Wenig später trafen wir unser nächstes „Date“, Marco Schreiber, am Stand des Syndikats, der wie üblich von jeder Menge mörderischer Schwestern belagert wurde. Tolle Stimmumg. Und wir konnten uns mit Marco über seinen Dithmarschen-Krimi unterhalten – Marschblut, sehr lesenswert! – und wie es sich anfühlt, als Lehrer Autor von Kriminalromanen zu sein und seit kurzem auch Mitglied des Syndikats – einer, wie die meisten Leser:innen sicher wissen, überaus erfolgreichen Vereinigung von Krimiautor:innen. Danke, Marco, für das Leseexemplar, das wird direkt nach der Messe verschlungen. Schließlich muss unsereiner ja wissen, was Ihr da oben im Kreis Dithmarschen so treibt. LOL.

Es war heute doch wieder ein recht langer Messetag. Wir erholen uns draußen an der frischen Luft und beobachtenein paar Asterixe auf freier Wildbahn beim Verzehr von … nein, keinen Wildschweinen, sonder ganz profanen Pommes. Die Gallier sind eben auch nicht mehr, was sie mal waren.

Für heute lassen wir’s gut sein. Bepackt mit Prospekten, Eindrücken, Beobachtungen und viel zu vielen Fotos machen wir uns auf den Weg nach Hause. Schließlich ist morgen auch noch ein Tag.

CU tomorrow!

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FBM 2023 – Mittwoch (1/5): Aller Anfang ist leer

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik, Unterhaltung | 18. Oktober 2023 | 21:40:17 | Roland Müller

Ich erspare uns allen die üblichen Außenaufnahmen von der Frankfurter Messe. Stattdessen stürzen wir uns mitten hinein in den Trubel und machen uns auf zur Halle 3. Trubel? Nein, ganz im Gegenteil, am Mittwochmorgen ist es erfreulich leer und ganz entspannt. Wo sich sonst auf den Rolltreppen die Menschenmassen drängen, herrscht Mut zur Lücke. Wunderbar! Wissen wir doch aus eigener Erfahrung, dass sich das in den kommenden Tagen und sogar im Laufe dieses Tages ändern wird.

Wir tauchen ein in die Halle 3. Ein wenig müssen wir uns umorientieren. Denn viele der Verlagsstände treffen wir nicht dort an, wo wir sie bei vergangenen Buchmessen vorgefunden haben. S. Fischer zum Beispiel war immer in Halle 3.1, macht sich nun aber in der Etage darunter breit, in Halle 3.0. Apropos breit: Auch die Mittelgänge sind sehr viel breiter angelegt als bei früheren Frankfurter Buchmessen. Recht so! Denn wenn das Geschiebe und Gedränge erst losgeht, hilft jeder zusätzliche Meter!

Ruhe und leeres Gestühl treffen wir auch am Stand der FAZ an. Selbst der Barrista gönnt sich einen entspannten Pausenplausch mit einer FAZ-Mitarbeiterin.

Am Stand der Aufbau Verlage ist schon ein wenig mehr los. Sehr schön. Immerhin darf ich mich ab dem Frühjahrsprogramm 2024 zu den Verlagsautoren zählen. Später am Tag werde ich hier noch meinen Agenten treffen und einen der Vertriebsmitarbeiter. Spannende Zeiten! Natürlich liegt es nah, einmal zu schauen, was sich so in „meinem“ zukünftigen Regal bei Aufbau Taschenbuch (atb) tut …

Nicht schlecht. Insbesondere Virtua von Karl Olsberg springt mir ins Auge. Ein spannender und gut recherchierter KI-Thriller. Nein, nicht von einer KI geschrieben, sondern über eine KI geschrieben. Und das sehr spannend. Entwickelt sich da gerade ein eigenes Subgenre? Wer weiß. Ich für meinen Teil werde mich mit EISRAUSCH demnächst in diesem Umfeld durchsetzen müssen. Ob das gelingt? Wir werden sehen.

Nicht weit entfernt, am Haufe-Stand, wird die KI-Revolution branchenrelevant thematisiert. Noch handelt man sie hier auf der Messe als ein durchaus willkommenes zusätzliches Werkzeug, das zunehmend in der Verlagsarbeit eingesetzt wird. Aber: Wird das so bleiben? Oder stehen wir alle, die wir mit Sprache „arbeiten“, früher oder später auf der Abschussliste? Bei einigen, besonders regelbasierten Genres könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eine gut trainierte KI Autor:innen ersetzen könnte – Romance, Romantasy, Dark Romance … wer weiß?

Ein anderer Aufreger, diesmal ein sehr menschlicher, begegnet uns ein paar Stände weiter, bei Suhrkamp: Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek – ohne Zweifel einer der Großen seiner Zunft und immer für eine zielgerichtete Polemik gut – verurteilte bei der feierlichen Eröffnung der Buchmesse die Hamas, forderte aber auch Verständnis für Palästinenser. Ein Eklat. Dessenungeachtet kann ich ihn nur dringend zur Lektüre enpfehlen. Einer der wenigen Philosophen, der in der Lage ist, „out of the box“ zu denken, ohne dabei wie ein prechtiges Exemplar aus deutschen Landen mit unqualifizierten Äußerungen Talkshows zu bespaßen.

So wie Žižek auf seine Art die Welt bunter macht, tun dies mittendrin auch diese jungen Leute mit Kreide auf einer riesigen Schiefertafel. Kreativität auf ganz analoge Art, wie schön. Und wie nostalgisch.

Wir eilen weiter und winken im Vorbeigehen der berühmten Ullstein-Eule. Der traditionsreiche Berliner Verlag nimmt wie meist sehr viel Raum ein. Wir werden dem Verlagsprogramm an einem der kommenden Tage noch einen genaueren Blick widmen.

Ebenso wie wir einen intensiveren Blick werfen werden auf das Schaffen des diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers Jon Fosse, dessen Konterfei wir am angemessen stolzen rowohlt-Stand entdecken. Fragen? Antworten! Ja, darauf werden wir gerne zurückkommen.

Nachdem wir uns einen ersten Überblick über die Verlage in Halle 3.0 und 3.1 verschafft haben, gehen wir nun ein wenig gezielter vor. Viele Verlage bieten ein reichhaltiges Präsentationsprogramm im 20- oder 30-Minutentakt. Wir entdecken Isabel Bogdahn im Gespräch mit Peter Tschentscher, dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Im Rahmen der Reihe Politik trifft Buch am Stand von Vorwärts. Wir lauschen eine Weile, was Isabel Bogdahn, die ihre schriftstellerische Karriere ja selbst als Übersetzerin begann, über die Situation von Schriftsteller:innen und Übersetzer:innen zu erzählen weiß. Spannend.

Thematisch profaner wird es beim Weiterbummeln am Stand von Droemer Knaur, wo Die Schwarze Königin von Markus Heitz ihren Thron aufgebaut hat, während um die Ecke Fitzek lauert. Nicht von ungefähr ist Droemer Knaur ein Schwergewicht im Bereich der Unterhaltungsliteratur. Man scheint hier ein Händchen zu haben für marktgerechte Themen.

Nicht weit entfernt, in einem Parallelgang, hat man ein Händchen für Networking. Das Netzwerkfrühstück des Berufsverbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz (A*dS) und des European Writers Council (EWC) war trotz der noch frühen Stunde gut besucht und gut bestückt mit Sekt und Schnittchen.

Dagegen hatt der Emons Verlag mit seiner fabelhaften Welt der Regionalliteratur und einer Obstschale auf dem langen Holztisch kaum eine Chance. Übrigens ein Verlag, den ich sehr schätze. Denn er gehört zu den wenigen, die einen klaren USP entwickelt haben und ihren definierten Markt mit qualitativ hochwertigen Geschichten bedienen.

Zur Abrundung unseres ersten Messerundgangs gönnen wir uns noch einen Zwischenstop im Zentrum des ausufernden Messestands der Penguin Random House Verlagsgruppe. Alle Jahre wieder organisieren hier Stern und PRH gemeinsam die sogenannte 30-Minuten-WG. Ein Interviewformat mit jeweils einem Autor oder einer Autorin. Wir lauschen eine Weile einem der rund 50 Live-Talks, die hier während der Messe laufen werden. Jeweils im Stream oder im Nachhinein anzuschauen auf der litlounge.de – in unserem Fall interviewte Catrin Boldebuck Sherko Fatah zu seiner beklemmenden Vater-Tochter-Geschichte Der große Wunsch.

Langsam tickt auch bei uns die Uhr. Also machen wir uns auf den Weg nach draußen. Ein kurzer Zwischenstop bei Reclam, „Versüßer“ unerträglicher Schulstunden im Deutschunterricht und farblich einfach schön anzuschauen. Mögen uns die berühmten Reclamausgaben noch lange erhalten bleiben!

Kurz bevor wir am Ausgang sind, passieren wir noch den Stand zum Kulturpass. Vielleicht die erfolgreichste Innovation der letzten Jahre, was Kultur für alle angeht. Mittlerweile, so wissen wir, sind mehr als 200.000 Kulturpässe angefordert worden. Damit wurden 400.000 Käufe getätigt, die Hälfte davon waren Bücher. Hey, wenn das mal keine gute Nachricht ist für die Buchbranche: Kids, die zu Hunderttausenden wieder lesen! Weiter so!

Auf der Außenterrasse von Halle 3.1 genießen wir die frische, eisige Polarluft und lassen den Blick über die noch ziemlich leere Agora schweifen, in deren Zentrum der Frankfurt Pavillon thront wie ein von einer Riesenhenne gelegtes Ei, bewacht von einem aufgeblasenen Asterix. Allzulange halten wir uns hier aber nicht auf. Denn gleich stehen Termine an auf der Literaturbühne von ARD/ZDF/3sat. Also los!

In diesem Jahr haben die drei Sender ARD, ZDF und 3sat erstmnals ihre Bühnen zusammengeworfen. Was nicht unpraktisch ist, muss man so doch nicht zwischen hier und Halle 4 umherirren. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um uns anzuhören, was Necati Öziri zu seinem Roman Vatermal zu sagen hat, einem der Highlights des Bücherjahres 2023. Wir sind fasziniert. Zu selten hört und liest man eine Stimme jener Mitbürger:innen mit migrantischem Hintergrund, die so authentisch, so fesselnd aus einer Welt erzählt, die doch eigentlich unsere ist.

Direkt im Anschluss interviewt Gert Scobel Thomas Meyer, den Autor der Biographie Hannah Arendt. Eigentlich kann man sagen: DIE Biographie von Hannah Arendt. Denn Meyer, obgleich forschender Akademiker, entpuppt sich nicht nur als profunder Kenner der Philosophin und räumt mit er Art und Weise, wie er sich über das neue Standardwerk (und das ist es meiner Meinung!) äußert. Sehr unterhaltsam und sehr lehrreich. Das Buch steht hiermit auf unserer Buchmesse-Kaufliste!

Im Anschluss wechselt nicht nur die Projektionsfarbe des Hintergrunds – umgeschaltet auf aspekte – plötzlich knäulen sich auch zahlreiche Fotografen vor der Bühne. Na klar, kann ja auch nicht anders sein, wenn ein Liebling der Nation die Bühne betritt: Elke Heidenreich

Katty Salié unterhält sich mit Elke Heidenreich über deren neues Kinder- und Erwachsenenbuch Frau Dr. Moormann und ich. Elke Heidenreich, längst altersweise und von einem unübertrefflich launigen Humor beseelt, weiß wie immer mit dem Herzen zu erzählen. Kein Wunder, dass das Auditorium der Literaturbühne bis auf den letzten Platz gefüllt ist und ein lang anhaltender Beifall Heidenreich verabschiedet.

Wir brechen noch nicht auf. Denn direkt im Anschluss widmet sich Katty einem Autorenkollegen aus dem Montségur-Autorenforum, Peter Wohlleben. Deutschlands prominentester Förster ist nicht nur ein großartiger Autor, sondern auch ein vor Optimismus strahlender Mensch. Eine Seltenheit in den Tagen einer sich beschleunigenden Klimakrise. Sein neues Buch Unser wildes Erbe erklärt uns, wie uns Instinkte steuern und was wir daraus lernen können. Einmal mehr eine aufschlussreiche Lektüre und ein gelungenes Beispiel für ein perfektes erzählendes Sachbuch.

Damit beschließen wir den ersten Tag auf der 75. Frankfurter Buchmesse. Erschöpft, aber aufgedreht machen wir uns auf den Weg zurück nach Hause. Morgen werden wir die nächste Runde drehen. Wer uns dabei folgen möchte, ist herzlich eingeladen. Wir werden sicher wieder Spannendes entdecken. Stay tuned!

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FBM 2023 – Eröffnungspressekonferenz

Veröffentlicht in Gesellschaft, Klimakrise, Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 17. Oktober 2023 | 13:45:11 | Roland Müller

Traditionell wird die Frankfurter Buchmesse am Tag vor dem offiziellen Öffnen der Tore für die Fachbesucher durch eine Pressekonferenz eingeleitet. Das war dieses Mal nicht anders als sonst. Da aber das geopolitische Umfeld derzeit so ist, wie es ist, spiegelte sich die angespannte Lage auch in den Eröffnungsreden von Karin Schmidt-Friderichs, Jürgen Boos und der aus London angereisten Keynote-Speakerin Gaia Vince.

Karin Schmidt-Friedrichs, Vorsteherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, ging kurz auf die Weltlage ein, um dann auf die durchaus angespannte Lage des Verlagswesens hinzuweisen. In Zeiten steigender Material- und Produktionskosten, aber auch unter dem Eindruck dessen, was Generative KIs zu leisten vermögen – ertüchtigt durch Urheberrechtsverletzungen. Denn um nichts anderes handele es sich bei der millionenfachen Verarbeitung urheberrechtlich geschützter Werke. Ein Thema, das mittlerweile auch die US-Gerichte beschäftigt. Nach dieser Kritik schwenkte sie über zu einer positiven Betrachtung dessen, was Bücher und das Lesen per se ausmacht. Sie betonte, dass Lesekompetenz nicht nur die Basis für Bildungs- und Lebenskarrieren sei, sondern auch die Basis für eine resiliente Demokratie. Zum Abschluss hob sie hervor, dass der kürzlich in Umlauf gebrachte Kulturpass bereits mehr als 200.000 junge Empfänger gefunden habe, die damit bereits 400.000 Käufe getätigt haben. Davon mehr als die Hälfte Bücher.

Das Auditorium im herbstkalten Frankfurt Pavillon auf der Agora war bis auf den letzten Platz gefüllt mit Pressevertreter:innen und Blogger:innen. Jürgen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse und seit eh und je ein entschiedener Verfechter einer politischen Buchmesse, konnte nicht umhin, auf die aktuelle Weltlage abzuheben: „Die Welt ist aus den Fugen geraten. Wir haben die Krise des Klimawandels und die Krise der westlichen Demokratien. Wir erleben seit über anderthalb Jahren Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Und seit dem 7. Oktober einen neuen, schrecklichen Höhepunkt der Gewalteskalation durch den Terrorkrieg der Hamas gegen Israel. Wir sind entsetzt. Bei der Frankfurter Buchmesse geht es immer um Menschlichkeit, im Zentrum steht die menschliche Begegnung. Diese Menschlichkeit ist am 7. Oktober durch den Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel abermals zerbrochen. Unser Mitgefühl gilt den Menschen, deren Angehörige Opfer dieses Gewaltexzesses wurden, und allen Menschen in Israel und Palästina, die unter dem Krieg leiden.”

Boos beschrieb mit dem ihm eigenen Enthusiasmus die Frankfurter Buchmesse als den weltweit größten Handelsplatz für Geschichten und Ideen, ein Ort des Rechts und des Urheberrechts und ein Ort der Selbstvergewisserung der Buchbranche. Er wies abschließend auf den diesjährigen Ehrengast Slowenien hin, der unter dem Motto ‚Waben der Worte‘ sein breites literarisches Schaffen vorstellen wird.

Als Dritte trat Gaia Vince ans Rednerpult, die eigentliche Keynote-Speakerin der Veranstaltung. Die renommierte Wissenschaftsjournalistin und Autorin („Das nomadische Jahrhundert“) beschrieb den aktuellen und überaus dramatischen Stand der Klimakrise mit all ihren Kaskadeneffekten, allen voran Klimamigration. Sie betonte, dass eine gut geplante Migration – genau daran mangelt es ja – eine Bereicherung für jede Gesellschaft sein kann. Eine positive Kraft, die es zu nutzen gilt in Zeiten, wo uns nur Kooperation zu retten vermag, nicht Konfrontation. „Die Kraft des Buches liegt darin, dass wir unser Inseldasein verlassen können“, sagte sie und schlug damit die Brücke zur Buchmesse. Sie endete mit einem flammenden Appell an die Gemeinsamkeit: „Es gibt nur eine menschliche Spezies!“

Der aufbrandende Applaus beendete eine Pressekonferenz, die das diesjährige Messemotto ‚And the story goes on‘ mit Leben gefüllt hat.

Den Schlusssatz von Gaia Vince „Es gibt nun eine menschliche Spezies!“ rufen wir nur allzugern allen Hassern, Hetzern und Polarisierern da draußen zu. Soviel in der gebotenen Kürze zu den Inhalten der diesjährigen Eröffnungspressekonferenz der Frankfurter Buchmesse. Ab morgen steigen wir ein ins Treiben und berichten aus den heiligen Messehallen. CU there!

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In den Startlöchern

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik, Unterhaltung | 16. Oktober 2023 | 11:01:47 | Roland Müller

Die bevorstehende 75. Frankfurter Buchmesse wird morgen offiziell eröffnet. Unsere Terminliste für die anstehende, vermutlich hektische Messewoche wird immer länger. Insbesondere auf den diesjährigen Ehrengast Slowenien sind wir sehr gespannt. Das kleine EU-Mitgliedsland an der Nahtstelle von Balkan und der früheren Donaumonarchie repräsentiert nicht nur eine reichhaltige Kultur, es verfügt auch über eine faszinierende Literaturszene, die es zu entdecken gilt! Mit der „dichtesten Dichte an Dichtern“, wie einer ihrer bekanntesten Vertreter es formuliert. Auch wenn all das sich im Schatten des russischen Überfalls auf die Ukraine und des Terrorkrieges der Hamas gegen Israel abspielt, wollen wir versuchen, uns auf eine Buchmesse zu konzentrieren, die zwar politisch sein wird wie eh und je, die aber auch all das repräsentiert, wozu Menschen im Positiven fähig sind: Diskurse zu führen, Kunst zu schaffen, das Allgemeine des Menschseins im Besonderen zu entdecken. Darauf wollen wir uns in den nächsten Tagen konzentrieren.

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Der Count-down zur Frankfurter Buchmesse läuft

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik | 28. September 2023 | 09:51:39 | Roland Müller

Alle Jahre wieder versammelt sich in Frankfurt am Main alles, was Rang und Namen hat in der weltweiten Verlagsszene. Nicht von ungefähr betonte Salman Rushdie, der in diesem Jahr mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wird, die Bedeutung der Buchmesse als Ort des demokratischen Austauschs: „Die Frankfurter Buchmesse ist eines der wichtigsten kulturellen Foren in der westlichen Welt. […] Ihr Einfluss besteht gerade in dem freien Austausch von Ideen zwischen vielen Kulturen durch Bücher. Ein solcher Austausch ist für den sozialen Wandel und die Demokratie unerlässlich.“

So sehen wir bei Café Digital das auch und werden ab dem 18. Oktober wieder täglich aus den Messefluren und Messehallen berichten. So, wie wir das bereits seit 2007 tun. Auch dieses Jahr haben wir wieder eine Presse-Akkreditierung erhalten, die es uns erlaubt, uns zeitlich und räumlich frei zu bewegen. Wir werden prominente Autor:innen treffen, über Neuerscheinungen berichten, die uns positiv aufgefallen sind und auch die Skurrilitäten einfangen, die bei einer Messe dieser Größe unabdingbar sind.

Wir freuen uns darauf, Euer Auge und Ohr bei der 75. Frankfurter Buchmesse zu sein. Stay tuned!

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