Kamera
Schokolade

FBM 2025 Tag 3: Zettelwirtschaft, Preisgewinner und ein Dinner

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Unterhaltung | 18. Oktober 2025 | 20:36:39 | Roland Müller

Messe-Freitag. Wir machen uns wieder auf den Weg. Und verirren uns kurzfristig in der Zettelwirtschaft von Thalia, die gleich in mehreren Hallen gigantische Stände mit Tribünen, Installationen und On-Stage-Veranstaltungen betreiben. Worum es hier ging? Keine Ahnung. Irgendwas mit Bücherseiten und Drachen. Sonst hätten sich kaum so viele junge Frauen hier aufgehalten.

Messe-Freitag, das bedeutet auch: Massenandrang nach den beiden eher beschaulichen ersteh Messetagen, die dem Fachpublikum vorbehalten waren. Nun ja, wir wissen ja, worauf wir uns einlassen beim Einlassen.

Erster Schock an diesem Vormittag: Eine erschreckend offene Diskussion der AVJ zum Thema Lesekompetenz. Auch wenn der Fokus auf den ökonomischen Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Deutschland lag, bestach Frank Kühne, der Programm-Manager des Carlsen Verlags, mit ganz konkreten und machbaren Vorschlägen, wie man der Lesekompetenz in Zukunft auf die Sprünge helfen kann. Sein Wort in die Ohren der Politiker (auch wenn sie verschlossen bleiben wie eh und je, wenn es um dieses brisante Thema geht).

Um nicht allzusehr über die Misere der Lesekompetenz nachdenken zu müssen, konzentrieren wir uns anschließend auf ein paar Lesetipps für all jene, die sich des Lesens mächtig fühlen. Alle drei Tipps deutsche übersetzungen philippinischer Werke. Allen voran, weil’s uns besonders gefallen hat aufgrund seines rauen, rotzfrechen Tons „Ein ziemlich böses Mädchen“ von Jessica Zafra.

(Zum Glück) exzellent übersetzt und versehen mit großem Sprachwitz und Sprachbeherrschung wird hier die Geschichte einer Heranwachsenden in Manila erzählt. Gesellschaftskritik vom Feinsten und nicht nur deshalb unser 1. Lesetipp!

Wir bleiben bei den Philippinen. Als Beherberger einer Bande Sibirischer Katzen können wir natürlich schlecht an einer Grafik-Novel über „Die Strassenkatzen von Manila“ vorübergehen. Schon gar nicht, wenn sie stilistischn so eigenständig und ungewöhnlich daherkommt wie jene des Künstlers und Zeichners Archie Oclos.

Sechs echte Charaktere, die dort ihr Leben fristen, wo die philippinische Metropole ihre weniger touristenfreundlichen Seiten zeigt.

Ungewöhnlich und völlig bubble-frei die Begleittexte, die jedes Tableau nur mit drei Worten kommentieren. Sehr assoziativ. Deshalb unser 2. Lesetipp!

Deutlich mehr Text findet sich „Überreste“, dem Roman von Daryll Delgado, hervorragend übersetzt von Gabriele Haefs. Hier dreht sich alles um die Klimakatastrophe und was sie denen antut, die mitten darin leben. Keine Dystopie, sondern einfach nur Beschreibung dessen, was rund um die Philippinen immer häufiger passiert.

Genau deshalb ist dieser Roman so beklemmend. Nimmt er am Ende gar nur vorweg, was auf uns hier zukommt, mit einem Zeitversatz von vielleicht zehn oder fünfzehn Jahren? Unser 3. Lesetipp!

Nach so viel Dramatik schlendern wir ein wenig ziellos durch die Messehallen und wundern uns kurz über zu Zombies erstarrte Kinder und Halbwüchsige, die sich mittels VR-Brillen in ihr ganz eigenes Romance-Universum flüchten. Irgendwo im Romance-Imprint von Rowohlt. Kann man es Ihnen verdenken eingedenk dessen, was vielleicht auf uns zukommt?

Schließlich kommen wir an der Leseinsel der unabhängigen Verlage an und stolpern mitten hinein in die Präsentation des neuesten Werks eines der renommiertesten französischen Comiczeichner: David Prudhomme. Mit „Rembetissa“ legt er nach zehn Jahren eine Fortsetzung seines Meisterwerks „Rembetiko“ vor.

Auch wenn es ein wenig ungewohnt war – für uns mehr noch als für den sehr alerten Moderator – dass Prudhomme in einigermaßen improvisiertem Englisch kommunizierte, war dies eigentlich überhaupt kein Problem. Denn er gehört zu jenen Comiczeichnern, deren Bilder eh alles sagen.

Der Bequemlichkeit halber blieben wir vor Ort. Die Stühle im Auditorium waren sehr bequem und wir schon etwas ermüdet von den täglichen 14.000 Messeschritten (laut iPhone Health App). So entging uns nicht die Folgeveranstaltung. Zwei Vertreter der Karl May Gesellschaft stellten „Briefwechsel mit seinen Verlegern“ vor. Eine überraschend spannende und unterhaltsame Sammlung von Karl Mays Korrespondenz. Aus der ein ganz anderes Bild des mit mehr als 80 Millionen Exemplaren erfolgreichsten Schriftstsellers deutscher Sprache hervorgeht. Wirklich faszinierend. Wir neigen dazu, das zu unserem 4. Lesetipp zu erklären!

Und wo wir schon mal saßen, verfolgten wir auch noch die nächste Veranstaltung. Die Verleihung des soeben erst aus der Wiege gehobenen Ilse-Schwepcke-Preises für Reiseschriftstellerinnen.

Auch wenn die beiden Stifter, beide verwandt mit der besagten, spät berufenen Reiseschriftstellerin und Verlegerin Ilse Schwepcke, bei ihrem offenbar ersten öffentlichen Auftritt in dieser Sache ein wenig verkniffen wirkten, muss man ihnen doch hoch anrechnen, mit diesem neuen Literaturpreis eine wirklich Luucke zu füllen. Vergeben wurde der Preis an diesem Abend in zwei Kategorien: englischsprachige und duetschsprachige Reiseliteratur von Autorinnen.

Spannend für uns war zu sehen, wer es auf die Shortlist der sechs deutschsprechigen Kandidatinnen geschafft hatte. Und siehe da, eine gute Bekannte war unter den Nominierten: Birgit Lutz, die Expeditionsleiterin und Reiseschriftstsellerin, mit der wir selbst guten Kontakt pflegen und das „Arktis-Virus“ teilen. Dass am Ende dann „Nachtzugtage“ von Millay Hyatt das Rennen machte, kein Problem. Auch das war in den Augen der Jury verdient.

Jeder Literaturpreis zählt. Auch dieser Neuzugang. Auch wenn er sich im Vergleich etwa zum von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehene Georg-Büchner-Preis bescheiden ausnehmen mag. Er ist wichtig für Autorinnen, und er erhöht die Sichtbarkeit.

Dass jemand wie Nina George auf derlei Auszeichnungen längst verzichten kann, ist klar. Wer es schafft, auf der größten Buchmesse der Welt das größte Buch der Welt zu platzieren, braucht sich um mengelnde Sichtbarkeit keine Gerdanken mehr zu machen. In Gedanken versunken, aber auch hungrig und durstig nach einem wieder einmal langen Messetag trollen wir uns …

… Denn schließlich steht an diesem Abend noch das alljährliche Autoren-Dinner der Aufbau Verlage auf dem Terminkalender. Zum ersten Mal. Mitten in Sachenhausen, im nicht nur unter Frankfurtern legendären „Zum gemalten Haus“. Um so lustiger, länger, apfelwein- und kalorienreicher wurde es dann auch. Vielen Dank für die Einladung, Ihr Lieben!

Das war’s dann für den Messe-Freitag. Es folgt der Messe-Samstag mit noch mehr Menschen, noch mehr Geschichten und vor allem noch mehr Lesetipps! CU!

Tags: , , , , , , , , , ,

weitere Artikel

« | »

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.