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Magdeburg, Weihnachten und die rechte Lust am Manipulieren von Fakten

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Medien, Politik | 24. Dezember 2024 | 10:20:55 | Roland Müller

Eigentlich wollten wir rechtzeitig zum Weihnachtsfest die üblichen Wünsche an unsere Leserinnen und Leser versenden. Frieden in der Welt, Freundschaft unter den Menschen und die Hoffnung auf ein gutes Leben für alle auf dem engen Erdball. Stattdessen sehen wir uns – ausgelöst durch die Amokfahrt in Magdeburg – in der Pflicht, ein paar Gedanken zu dem Welt- und Menschenbild zu äußern, das derzeit von rechten und leider auch weniger rechten politischen Kreisen verbreitet wird. Ein Faktencheck, der offenbar notwendig ist.

Es ist traurig, mitanzusehen, wie die Faktenlage ignoriert, aktiv geleugnet oder sogar bewusst verbogen wird, um ein Bild unserer bundesdeutschen Gesellschaft zu zeichnen, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat.

Und damit sind wir beim Thema Muslime in Deutschland. Beziehungsweise bei der bewussten und mutwilligen Pauschalierung, die jetzt gerade wieder stattfindet. Wobei im Falle des Amokfahrers von Magdeburg in der rechten Wagenburg vollständig ausgeblendet wird, dass der gebürtige Saudi, der seit zwanzig Jahren in Deutschland lebt und als Arzt praktiziert, sich selbst sowohl in einem Interview mit der islamophoben US-amerikanischen RAIR-Foundation (Rise Align Ignite Reclaim) als auch in zahlreichen Social Media Beiträgen als bekennender AfD-Anhänger, Wilmers- und Musk-Fan geoutet hat. Ein saudischer Ex-Muslim, der in Ostdeutschland lebt, die AfD liebt und Deutschland für seine Toleranz gegenüber Islamisten bestrafen will? Nein, dieser Taleb al-abdulmohsen passt in keines der gängigen Muster. Trotzdem wird er von rechten Kreisen fröhlich instrumentalisiert. Ein Grund mehr, dass wir uns einmal anschauen, wie es generell um die tatsächliche Zahl von schweren Straftaten steht, die hierzulande von Migranten begangen werden.

Natürlich blicken wir in den sozialen Medien wie hypnotisierte Kaninchen ausschließlich auf jene Gewaltdelikte, die von Menschen mit Migrationshintergrund begangen werden. Denn nur diese Zahl lässt sich ja instrumentalisieren.

1997 war der Blickwinkel noch medial begrenzt. Die lokale und regionale Tagespresse informierte über das, was sich im unmittelbaren Umfeld zutrug. Die geringe Zahl spektakulärer Gewalttaten schaffte es ins Fernsehen. So weit, so gut.

Die Relation war ein Spiegel der Realität. Doch dann kamen die Sozialen Medien auf. Vermeintlich neutrale Plattformen mächtiger Tech-Konzerne aus den USA und mittlerweile auch aus der VR China. Getrieben von Algorithmen, nur eines sollten: Maximale Verweildauer der User auf der jeweiligen Plattform erzielen. Koste es, was es wolle. Und ja, wer auch immer die Programmierenden waren, sie wussten um die Abgründe der menschlichen Psyche. Das gilt erst recht für die rechten Teams, die nun auf den Plan traten.

Mit den Sozialen Medien traten Gruppierungen unterschiedlichster Couleur auf die Bühne, um die neuen medialen Möglichkeiten für ihre eigenen kruden Interessen zu nutzen. Verschwörungserzähler, die bisher allenfalls ein paar hektisch fotokopierter Flugblätter loswerden konnten, fanden ein breites Publikum. Rechte Parteien nutzten den „bad news are good news“ Kern der Algorithmen, um ihre eigene verquaste und verzerrte Weltsicht als Wirklichkeit zu verkaufen und Angst zu schüren. Eine Angst, die auf den fruchtbaren Boden bestehender Vorurteile fiel. Man musste nur den Blickwinkel ausreichend verengen …

Schaut man durch eine braune Brille auf die Welt, sieht man eben nur Sch****. So wie man durch eine rosarote Brille nur Barbieland sieht. Das eine wie das andere hat mit der Realität, in der wir leben, nichts zu tun. Wichtig ist nur eine einzige Frage: Wem nützt es? Wer will Angst schüren und warum? Diese Frage müssen wir uns jeden Tag aufs Neue stellen. Auch und gerade nach Geschehnissen wie in Magdeburg.

Spätestens nach den Retweets einer rechten, wenn nicht gar neofaschistischen Influencerin durch einen gewissen Silicon-Valley-Multimilliardär sollten wir alle ins Grübeln kommen und hinterfragen, was da getrieben wird. Und unseren Blick zurück auf die Fakten in ihrem Kontext richten. Denn die stehen uns jederzeit zur Verfügung in unserer Demokratie!

Wir bedanken uns bei einem lieben Kollegen, der uns seine Charts für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat und wünschen Euch allen da draußen einen klaren Blick auf die Fakten, Resistenz gegen die grassierenden Lügen und Halbwahrheiten und natürlich ein schönes Weihnachtsfest im Kreis Eurer Lieben und einen guten Rutsch in ein hoffentlich friedvolleres 2025 als dies 2024 war.

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Weltbild insolvent, BuchMarkt schließt. Was ist da los?

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Kultur, Literatur, Medien, Unternehmen | 17. August 2024 | 15:06:44 | Roland Müller

WELTBILD, das einstmals katholische Vorzeigeunternehmen, wird zu Grabe getragen. Endgültig. Bereits 2014 war das Unternehmen, damals noch einer der Großen der Buchhandelsfilialisten, in Insolvenz gegangen, konnte aber zurechtgestutzt weitere zehn Jahre überleben. Bis jetzt. Am 31. August diesen Jahres werden alle verbliebenen Filialen und Shops geschlossen und das Unternehmen abgewickelt. Viel ist das allerdings nicht mehr, was da noch geblieben ist: 440 der einstmals weit über 6.000 Mitarbeitenden, 12 der ehedem 300 Filialen. Erhebliche Lagerbestände, die nun mit Megarabatten herausgehauen werden (siehe oben).

Woran lag es, dass WELTBILD dermaßen vor die Hunde ging und in den vergangenen zehn Jahren offenbar kein schlüssiges Marktkonzept mehr aufwies? Amazon, der übermächtige Versandgigant? Sicher auch, aber nicht entscheidend. Glaubt man dem Branchengeflüster, waren auch nach der vermeintlichen Gesundschrumpfung eine aufgeblähte und viel zu teure IT einer der Totengräber. Kein Investor mochte es sich antun, erst mit dieser IT aufzuräumen (Kosten!), dann eine neue Struktur aufzusetzen (Kosten!) und schließlich noch ein Geschäftsmodell entwickeln, das in heutigen Zeiten wettbewerbsfähig ist (Kosten!). traurig insbesondere für die verbliebenen Angestellten. Aber ganz ehrlich: Wird jemand WELTBILD vermissen? Wird eine Lücke gerissen im Markt der Buchhandelsfilialen? Wohl kaum.

Ein wesentlich größerer Verlust für den Buchhandel und den Buchmarkt als solchen ist hingegen die Einstellung eines seit 1966 existierenden und seit Jahren auch online präsenten Branchenmagazins: BuchMarkt. Auch hier werden in diesem Jahr die Türen geschlossen. Die Dezemberausgabe 2024 wird die letzte sein, die publiziert wird. Und auch hier sind die Gründe klar, wenn man die Aussagen des Geschäftsführers Julian Müller ernst nimmt: „Die Lage der Printmedien-Landschaft ist aktuell so angespannt wie wohl selten zuvor. Diese sich verschärfende Situation erfasst auch die BuchMarkt Media GmbH. Wir ziehen mit diesem Schritt daher die notwendigen Konsequenzen, die wir sehr bedauern“. (Hier geht’s zum kompletten Interview!)

Bedauerlich vor allem für eine Branche, die nun alleinig auf das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels angewiesen bleibt. Ob sich wohl irgendwann wieder jemand traut, im langen Schatten des Börsenblatts sein eigenes Ding aufzuziehen? So wie sich das anno 1966 der legendäre und 2023 leider verstorbene Christian von Zittwitz traute? Es wäre zu wünschen.

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Premiere: Wir fahren nach Leipzig!

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 15. März 2024 | 16:04:22 | Roland Müller

Zum ersten Mal wird das Team von Cafedigital auf der Leipziger Buchmesse aufschlagen. Wir berichten zwar seit 2007 alljährlich von der Frankfurter Buchmesse, wie treue Leser wissen, aber Leipzig ist mindestens genauso spannend. Nur ganz anders, wie erfahrene Autorenkolleginnen und Kollegen berichten. Grund genug, das wir uns zum ersten Mal selbst ein Bild verschaffen. Keine Ahnung, ob unsere Reportagen vor Ort genauo ausführlich werden, wie jene, die wir aus Frankfurt liefern. Nach einem ersten Eindruck vor Ort werden wir dazu mehr sagen können. Zumal dieser Messebesuch auch ein erstes persönliches Treffen mit einer Lektorin der Aufbau Verlage beinhalten wird. Jener nämlich, die das Thriller-Debüt EISRAUSCH, das am 13. August 2024 als Aufbau Taschenbuch und aller Vorausicht nach zusätzlich als Aufbau Hörbuch erscheinen wird, betreuen wird. Wir berichteten in einem früheren Beitrag darüber. Spannende Zeiten! Wir sind an allen vier Messetagen in den Hallen unterwegs und werden uns umschauen. CU there!

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Wie visionär ist Apples Vision Pro?

Veröffentlicht in Apple & Co, Gadgets, Internet, multimedia, Technologie, Unternehmen | 07. Juni 2023 | 15:13:13 | Roland Müller

Die WWDC 2023 ist vorüber. Tim Cook hat unter anderem und vor allem die Apple Vision Pro präsentiert bzw. angekündigt und damit den Eintritt in die Welt des Spatial Computing eingeläutet. Das Publikum applaudiert und grübelt: Ist dieses „one more thing“ das „next big thing“ nach dem iPhone?

Dazu haben wir uns ein paar unverbindliche Gedanken gemacht. Gestützt auf mehr als drei Dekaden persönlicher Erfahrungen mit Apple und Apple-Produkten, der Teilnahme als akkreditierte Journalisten an zehn MacWorld Expos in San Francisco und einem bis heute anhaltenden Interesse an der Digitalisierung der Welt.

Wie Lars Heidemann, Gründer und Geschäftsführer der Wuppertaler Digitalagentur shetani bereits auf LinkedIn dargelegt hat, haben wir alle, die wir willig oder manchmal auch widerwillig Apple seit mehr als zwanzig Jahren auf seinem Weg von mageren 2,5% Marktanteil zum heutigen Billionen-Dollar-Giganten begleitet haben, das Gefühl: Da ist gerade etwas passiert! Okay, seit Monaten schon geistert das Gerücht durch die Gänge, dass Apple eine AR/VR-Brille entwickelt. Nichts wirklich Neues also.Aber denken wir mal zurück … der iPod war nicht wirklich neu, Musicplayer gab’s schon zuvor. das iPhone war nicht neu, Mobiltelefone gab’s schon zuvor. Das iPad war nicht neu, Tablet-Computer gab’s schon zuvor … Aber alle Innovationen, eigentlich Re-Innovationen, aus Cupertino vereinte eines: maximale Bedienungsfreundlichkeit und das Einbetten in ein proprietäres Ökosystem, das einen permanenten zustrom von passender Software generierte.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund Apples AR/VR-Brille und lässt Zuckerbergs Metaverse dort liegen, wo es hingehört, nämlich links, dann mag langsam die Erkenntnis dämmern, dass diese AR/VR-Brille eigentlich gar keine AR/VR-Brille im Sinne von Oculus Rift und Konsorten ist, sondern etwas ganz anderes … und dass offenbar alle anderen Anbieter bisher zu kurz gesprungen sind.

Was also ist die Apple Vision Pro?

Ganz einfach: Der entfesselte Computer fürs 21. Jahrhundert. Das next big thing. Ich denke, zum ersten Mal seit vielen Jahren hat Steve Jobs seine helle Freude gehabt an dem, was in Cupertino vorgestellt worden ist. Man darf auf die kommenden Evolutionsstufen gespannt sein …

(Copyright Foto: Apple)

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XXVIII. Mainzer Kolloquium

Veröffentlicht in Internet, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Technologie | 04. Februar 2023 | 15:12:58 | Roland Müller

Gut gefülltes Atrium maximum der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz

Die Algorithmisierung der Buchwelt – Arbeitsentlastung oder Dystopie?

Was da am 27. Januar 2023 im Atrium maximum meiner Alma Mater als XXVIII. Mainzer Kolloquium angeboten wurde, darf man getrost als wegweisend bezeichnen. Spätestens seit ChatGPT und Konsorten ist das Thema Künstliche Intelligenz dort angekommen, wo es die Wenigsten erwartet hatten: in den Kreisen der Geistesarbeiter.

Maschinen schreiben, illustrieren und vertreiben Bücher. So konnte es nicht ausbleiben, dass Ende Januar die rasante Entwicklung der KI zum Generalthema des Mainzer Kolloquiums erkoren wurde. In einem so spannenden wie abwechslungsreichen Programm diskutierten Fachleute aus der Buchbranche die neuesten Entwicklungen. Angestoßen und organisiert von den renommierten deutschen Buchwissenschaftlern Prof. Dr. Christoph Bläsi und Prof. Dr. Gerhard Gerhard Lauer vermittelte die Veranstaltung ein teils erschreckendes, teils unterhaltsames, immer aber erhellendes Bild der Revolution, die sich derzeit in der Buchwelt abspielt.

Prof. Dr. Christoph Bläsi

Die Vorträge deckten alle relevanten Bereiche ab, von der Darstellung der technischen Herausforderung durch Algorithmen verfasster Bücher, über den aktuellen Stand neuronaler maschineller Übersetzung, die Zukunft des Blockchain-Publishing, bis zum Einsatz von KI im Buchmarketing.

Was nach dem Besuch als Erkenntnis bleibt, ist zweierlei: Erstens ist eine KI alles, nur nicht intelligent, solange sie nicht „versteht“, was sie tut, sondern lediglich statistische Verfahren verwendet, um gigantische Datenmengen zu verarbeiten. Gleichwohl sind die Ergebnisse bereits jetzt erstaunlich. Vorausgetzt, es kommt nicht zum berüchtigten „Garbage in – Garbage out“ Effekt. Zweitens ist das, was wir heute als State-of-the-art wahrnehmen, bereits morgen der Schnee von gestern. In wohl keinem Bereich der Digitalisierung schreitet die Entwicklung derart schnell voran wie auf dem Feld der KI. Was vermutlich den Software-Riesen Microsoft bewegt hat, weitere zig Milliarden US$ in OpenAI zu investieren. Oder Google dazu, demnächst eine eigene Sprach-KI in seine Suchmaschine einzubinden. Dass dies alles Probleme heraufbeschwört, was das Unterscheiden von menschlicher und maschineller Urheberschaft angeht, liegt auf der Hand. Und hat ausgerechnet die ChatGPT-Entwickler animiert, eine Software anzukündigen, die in der Lage ist, maschinell generierte Texte zu erkennen. Schöne, neue Buchwelt … Da fragt man sich doch als Texter und Autor, wann die ersten KI-generierten belletristischen Werke auftauchen. Aber stop! Noch „versteht“ die KI ja nicht den Kontext, den sie generiert. So mag es demnächst höchstens zu einem Mainstream Standard-Genre-Machwerk reichen, ohne komplexen Plot, raffinierte Spannungsbögen und vielschichtige Charaktere. Aber morgen oder übermorgen? Wer weiß …

Copyright Fotos: Roland Müller

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