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Leipziger Buchmesse 2024: Tag 1 und erste Eindrücke

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 21. März 2024 | 23:04:10 | Roland Müller

Nach zig Jahren Berichterstattung von der Frankfurter Buchmesse wagen wir uns zum ersten Mal nach Leipzig. Was ist hier anders? Das ist die Frage, die wir uns stellen. Eines zumindest ist sicher: Wir fühlen uns willkommen geheißen.

Eines ist allerdings auffällig: Im Gegensatz zur Frankfurter Buchmesse ist hier in Leipzig bereits am allerersten Tag alles rappelvoll. Nicht unbedingt ein Zufall. Denn im Gegensatz zur FBM wird hier in Leipzig nicht unterschieden zwischen Fachbesucherinnen und „normalen“ Besucherinnen. Plus: Aufgrund der ebenfalls hier stattfindenden Comicon nebst Myriaden von Cosplayerinnen ist von Anfang an für Trubel gesorgt in den Hallen 1 bis 5 plus der verbindenden, zentralen Glashalle. Was übrigens eine feine Sache ist. Denn man kommt bei jedem Wetter trockenen Fußes von Halle zu Halle!

Zuallererst fallen wir heute beim Forum Literatur mit der Tür ins Haus. Denn hier feiert ein Freund und Forumskollege aus dem DSFo seinen Live-Auftritt vor gut gefüllten Zuhörereihen. Dirk Osygus liest, nein spielt, tanzt vor aus einem seiner Wuppertal-Krimis. Applaus, Herr Kollege! Das war eine straffe Performance!

Wir ziehen weiter. Und stoppen beim Medienforum. Und bei einem Interview, das Maxi Leinkauf mit drei Damen führt: Annett Gröschner, Peggy Mädler und Wenke Seemann. Die drei Damen haben ein Buch veröffentlicht, das einen so genialen Titel aufweist, dass allein das schon ausreichen sollte, ins Regal zu greifen: Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat. Genial. Und sowieso ein Lesetipp.

Apropos Frauen und Frauenliteratur. Neu und bereits vieldiskutiert ist auch Toxische Weiblichkeit von Sophia Fritz, hier im Gespräch mit einem Vertreter der TAZ. Der sich, erstaunlicherweise, ein bisschen schwer zu tun schien mit dem Buch und der Autorin.

Nicht schwer tat sich an der Leseinsel der Jungen Verlage dieser Autor mit dem Thema Sterben in der Familie. Eine deutlich autobiografische Erzählung, die aus der Erzählperspektive des Ehemannes den Kampf seiner Frau mit dem Krebs beschreibt. Der kurze Ausschnitt, den wir anhörten, schien uns überaus gelungen, nahbar und unpathetisch, aber trozdem emotional sehr anrührend. Autor und Titel reichen wir noch nach.

Und was geht da ab? Beine, soweit das Auge reicht?

Es handelt sich um den Stand des diesjährigen Gastlandes Niederlande und Flandern. Da der Stund rundum mit teils gerafften Stoffbahnen verhängt war, ergaben sich spannende Einblicke, die nicht nur Gebeine offenbarten, sondern auch eine große Zahl interessierter und vertiefter Leserinnen und Leser.

Mit am Start zwei Personen, die wir bereits zur Genüge aus der ZDF-Kultursendung Aspekte kennen. Nun ja, ein Pflichtbesuch eben.

Nach einer Weile müdegelaufen suchen wir Zuflucht und eine Sitzgelegenheit in der zentralen Glashalle. Ein guter Platz, um den Blick schweifen zu lassen. Zumal hier immr wieder mehr oder weniger – naja, meist mehr – aufwändig kostümierter Cosplayerinnen, die sich wie selbstverständlich ins Messeambiente einfügen.

Was uns zu einem der schönsten und hoffnungsvollsten Fotos bringt, das wir an diesem ersten Messetag schießen konnten: Dieses Bild einer kulturenübergreifenden Freundschaft – so interpretieren wir das einfach mal – die sich hier in der Welt der Bücher zusammengefunden hat.

Während sich ein paar Meter weiter ein Mainzelmann unter Steroiden verzweifelt bemüht, den Cosplayerinnen Konkurrenz zu machen. Er muss schwitzen, und er wird scheitern, garantiert.

Wir wollen es schon für diesen ersten Tag bewenden lassen, da lockt uns vor der Bühne von ARD, ZDF und wer weiß wer sonst noch diese hoch konzentrieret Kamerafrau, um die ein Aufnahmeleiter herumturnte. Was geht hier ab?

Aha, der Herr Scobel, umgeben von Feuilleton, Literaturwissenschaft und FAZ und soeben dabe, im Rahmen der BuchZeit über Lesenswertes zu diskutieren. Wir lauschen eine Weile den mehr oder weniger fundierten Ausführungen jener, die es hauptberuflich wissen müssen, nicken wissend und machen uns dann doch auf den Rückweg zum nahegelegenen Hotel.

Ein letzter Blick zurück auf die kühne Stahl- und Glaskonstruktion der zentralen Messehalle und wir eilen im einsetzenden Regenschauer zur Haltestation der Tram Linie 16. Morgen, das versprechen wir, geht’s weiter. CU!

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XXVIII. Mainzer Kolloquium

Veröffentlicht in Internet, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Technologie | 04. Februar 2023 | 15:12:58 | Roland Müller

Gut gefülltes Atrium maximum der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz

Die Algorithmisierung der Buchwelt – Arbeitsentlastung oder Dystopie?

Was da am 27. Januar 2023 im Atrium maximum meiner Alma Mater als XXVIII. Mainzer Kolloquium angeboten wurde, darf man getrost als wegweisend bezeichnen. Spätestens seit ChatGPT und Konsorten ist das Thema Künstliche Intelligenz dort angekommen, wo es die Wenigsten erwartet hatten: in den Kreisen der Geistesarbeiter.

Maschinen schreiben, illustrieren und vertreiben Bücher. So konnte es nicht ausbleiben, dass Ende Januar die rasante Entwicklung der KI zum Generalthema des Mainzer Kolloquiums erkoren wurde. In einem so spannenden wie abwechslungsreichen Programm diskutierten Fachleute aus der Buchbranche die neuesten Entwicklungen. Angestoßen und organisiert von den renommierten deutschen Buchwissenschaftlern Prof. Dr. Christoph Bläsi und Prof. Dr. Gerhard Gerhard Lauer vermittelte die Veranstaltung ein teils erschreckendes, teils unterhaltsames, immer aber erhellendes Bild der Revolution, die sich derzeit in der Buchwelt abspielt.

Prof. Dr. Christoph Bläsi

Die Vorträge deckten alle relevanten Bereiche ab, von der Darstellung der technischen Herausforderung durch Algorithmen verfasster Bücher, über den aktuellen Stand neuronaler maschineller Übersetzung, die Zukunft des Blockchain-Publishing, bis zum Einsatz von KI im Buchmarketing.

Was nach dem Besuch als Erkenntnis bleibt, ist zweierlei: Erstens ist eine KI alles, nur nicht intelligent, solange sie nicht „versteht“, was sie tut, sondern lediglich statistische Verfahren verwendet, um gigantische Datenmengen zu verarbeiten. Gleichwohl sind die Ergebnisse bereits jetzt erstaunlich. Vorausgetzt, es kommt nicht zum berüchtigten „Garbage in – Garbage out“ Effekt. Zweitens ist das, was wir heute als State-of-the-art wahrnehmen, bereits morgen der Schnee von gestern. In wohl keinem Bereich der Digitalisierung schreitet die Entwicklung derart schnell voran wie auf dem Feld der KI. Was vermutlich den Software-Riesen Microsoft bewegt hat, weitere zig Milliarden US$ in OpenAI zu investieren. Oder Google dazu, demnächst eine eigene Sprach-KI in seine Suchmaschine einzubinden. Dass dies alles Probleme heraufbeschwört, was das Unterscheiden von menschlicher und maschineller Urheberschaft angeht, liegt auf der Hand. Und hat ausgerechnet die ChatGPT-Entwickler animiert, eine Software anzukündigen, die in der Lage ist, maschinell generierte Texte zu erkennen. Schöne, neue Buchwelt … Da fragt man sich doch als Texter und Autor, wann die ersten KI-generierten belletristischen Werke auftauchen. Aber stop! Noch „versteht“ die KI ja nicht den Kontext, den sie generiert. So mag es demnächst höchstens zu einem Mainstream Standard-Genre-Machwerk reichen, ohne komplexen Plot, raffinierte Spannungsbögen und vielschichtige Charaktere. Aber morgen oder übermorgen? Wer weiß …

Copyright Fotos: Roland Müller

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