Kamera
Schokolade

Archiv für August 2024

|

Weltbild insolvent, BuchMarkt schließt. Was ist da los?

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Kultur, Literatur, Medien, Unternehmen | 17. August 2024 | 15:06:44 | Roland Müller

WELTBILD, das einstmals katholische Vorzeigeunternehmen, wird zu Grabe getragen. Endgültig. Bereits 2014 war das Unternehmen, damals noch einer der Großen der Buchhandelsfilialisten, in Insolvenz gegangen, konnte aber zurechtgestutzt weitere zehn Jahre überleben. Bis jetzt. Am 31. August diesen Jahres werden alle verbliebenen Filialen und Shops geschlossen und das Unternehmen abgewickelt. Viel ist das allerdings nicht mehr, was da noch geblieben ist: 440 der einstmals weit über 6.000 Mitarbeitenden, 12 der ehedem 300 Filialen. Erhebliche Lagerbestände, die nun mit Megarabatten herausgehauen werden (siehe oben).

Woran lag es, dass WELTBILD dermaßen vor die Hunde ging und in den vergangenen zehn Jahren offenbar kein schlüssiges Marktkonzept mehr aufwies? Amazon, der übermächtige Versandgigant? Sicher auch, aber nicht entscheidend. Glaubt man dem Branchengeflüster, waren auch nach der vermeintlichen Gesundschrumpfung eine aufgeblähte und viel zu teure IT einer der Totengräber. Kein Investor mochte es sich antun, erst mit dieser IT aufzuräumen (Kosten!), dann eine neue Struktur aufzusetzen (Kosten!) und schließlich noch ein Geschäftsmodell entwickeln, das in heutigen Zeiten wettbewerbsfähig ist (Kosten!). traurig insbesondere für die verbliebenen Angestellten. Aber ganz ehrlich: Wird jemand WELTBILD vermissen? Wird eine Lücke gerissen im Markt der Buchhandelsfilialen? Wohl kaum.

Ein wesentlich größerer Verlust für den Buchhandel und den Buchmarkt als solchen ist hingegen die Einstellung eines seit 1966 existierenden und seit Jahren auch online präsenten Branchenmagazins: BuchMarkt. Auch hier werden in diesem Jahr die Türen geschlossen. Die Dezemberausgabe 2024 wird die letzte sein, die publiziert wird. Und auch hier sind die Gründe klar, wenn man die Aussagen des Geschäftsführers Julian Müller ernst nimmt: „Die Lage der Printmedien-Landschaft ist aktuell so angespannt wie wohl selten zuvor. Diese sich verschärfende Situation erfasst auch die BuchMarkt Media GmbH. Wir ziehen mit diesem Schritt daher die notwendigen Konsequenzen, die wir sehr bedauern“. (Hier geht’s zum kompletten Interview!)

Bedauerlich vor allem für eine Branche, die nun alleinig auf das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels angewiesen bleibt. Ob sich wohl irgendwann wieder jemand traut, im langen Schatten des Börsenblatts sein eigenes Ding aufzuziehen? So wie sich das anno 1966 der legendäre und 2023 leider verstorbene Christian von Zittwitz traute? Es wäre zu wünschen.

Keine Kommentare »

„James, ach James …“

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Literatur | 03. August 2024 | 16:04:35 | Roland Müller

Gestern wäre James Baldwin 100 Jahre alt geworden. Heute kann man ohne Übertreibung sagen, dass er nicht nur der vielleicht bedeutendste afroamerikanische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts war, sondern auch aktueller ist denn je. Und nein, er war keiner, den man heranziehen könnte, um irgendwelche identitären Definitionen zu rechtfertigen. Jede Ideologie war ihm fremd. Auch damit entzieht er sich heutigen Vereinnahmungsversuchen. Emanzipation und Menschlichkeit, das war sein Ding. Seinen Blick auf die USA und sein Eindruck, dass Hass und Spaltung die Gesellschaft immer mehr prägen und schließlich zerreißen würden, darf man getrost als prophetisch verstehen.

Betrachtet man sein Schaffen und seine Intentionen zu seinen Lebzeiten, fällt auf, dass er als Essayist und Journalist gewürdigt und geliebt wurde. Als Schriftsteller und Romancier jedoch selbst heutzutage nicht immer als der gehandelt wird, der er tatsächlich war: einer der ganz Großen der US-Literatur. Wieso er selbst heute noch vor allem als homosexueller Man of Color wahrgenommen wird, mag daran liegen, dass er zu Zeiten von Dr. Martin Luther King und Malcolm X eine der wichtigsten Stimmen der afroamerikanischen Kulturszene war. Das und sein damaliges Outcoming scheint bis heute für viele Menschen auf vielen Plattformen wichtiger zu sein als seine Romane. Die, angefangen bei Giovannis Zimmer, über Ein anderes Land bis zu Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort, Weltliteratur sind.

Abschließend als Lesetipp: neben allen, aber wirklich allen bei dtv verlegten, neu übersetzten Romanen die bei C.H. Beck neu erschienene Monografie Der Zeuge!

Kommentare deaktiviert für „James, ach James …“

|