„James, ach James …“
Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Literatur | 03. August 2024 | 16:04:35 | Roland Müller
Gestern wäre James Baldwin 100 Jahre alt geworden. Heute kann man ohne Übertreibung sagen, dass er nicht nur der vielleicht bedeutendste afroamerikanische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts war, sondern auch aktueller ist denn je. Und nein, er war keiner, den man heranziehen könnte, um irgendwelche identitären Definitionen zu rechtfertigen. Jede Ideologie war ihm fremd. Auch damit entzieht er sich heutigen Vereinnahmungsversuchen. Emanzipation und Menschlichkeit, das war sein Ding. Seinen Blick auf die USA und sein Eindruck, dass Hass und Spaltung die Gesellschaft immer mehr prägen und schließlich zerreißen würden, darf man getrost als prophetisch verstehen.
Betrachtet man sein Schaffen und seine Intentionen zu seinen Lebzeiten, fällt auf, dass er als Essayist und Journalist gewürdigt und geliebt wurde. Als Schriftsteller und Romancier jedoch selbst heutzutage nicht immer als der gehandelt wird, der er tatsächlich war: einer der ganz Großen der US-Literatur. Wieso er selbst heute noch vor allem als homosexueller Man of Color wahrgenommen wird, mag daran liegen, dass er zu Zeiten von Dr. Martin Luther King und Malcolm X eine der wichtigsten Stimmen der afroamerikanischen Kulturszene war. Das und sein damaliges Outcoming scheint bis heute für viele Menschen auf vielen Plattformen wichtiger zu sein als seine Romane. Die, angefangen bei Giovannis Zimmer, über Ein anderes Land bis zu Wie lange, sag mir, ist der Zug schon fort, Weltliteratur sind.
Abschließend als Lesetipp: neben allen, aber wirklich allen bei dtv verlegten, neu übersetzten Romanen die bei C.H. Beck neu erschienene Monografie Der Zeuge!
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