Eine Woche ohne Internet – ein Selbstversuch
Veröffentlicht in Internet | 30. September 2007 | 10:25:27 | Roland Müller
Im Anfang war das Wort: Urlaub. Was für ein wunderbarer Begriff. Und wenn es nur für eine Woche ist, die Aussicht auf ein paar Tage fernab der Erwerbsarbeit mit ihren terminlichen und organisatorischen Zwängen erhöht schon ganz ohne zusätzlichen Schokoladenkonsum die Endorphinausschüttung. Um die Erholungswirkung des wohlverdienten Urlaubs weiter zu steigern, haben wir uns einen Urlaubsort ausgesucht, der weder TV noch Radio noch Telefonanschluss im ansonsten sehr kommoden Appartement aufweist. Vor allem aber: keinen Internetzugang, weder über Kabel noch per WiFi. Was dies in der ferientäglichen Praxis bedeutet, davon soll im folgenden Beitrag die Rede sein…
1. Tag…
Die Anreise. 794 Kilometer vom Rhein-Main-Gebiet ins Piemont, Italiens bislang vom Pauschaltourismus verschonte Weinbauregion gleich hinter den Alpen, wo Barolo und Barbaresco fließen, die Einwohner geradezu preußisch fleißig sind und das weiße Gold der Nobelgastronomie gefördert wird – Trüffel. Eine perfekte Umgebung also, um vom alltäglichen Recherchieren, Texten und Konzipieren auszuspannen.
2. Tag…
Endlich mal wieder ausgeschlafen. Statt kurz vor Mitternacht vom Rechner aufzustehen und geschafft ins Bett zu fallen, schon abends um neun Uhr hingelegt und ein gutes Buch zu schmökern begonnen. Dann wie ein Baby eingeschlafen und durchgeratzt bis halb zehn in der Früh. Welch ein Luxus! Kein Internet? Kein Problem!
3. Tag…
Den Vormittag im großzügigen Park am Pool vertrödelt. Wie es wohl zuhause läuft? Kann ja keine Mails abrufen. Naja, wird schon alles okay sein. Und wenn nicht, auch egal. Wir sind ja nur eine Woche lang weg. Das Buch, ein Roman des Walisers Jasper Fforde, auf seine Art so skurril und schräg wie Douglas Adams seligen Angedenkens, liest sich weg wie nix. Hat auch eine Homepage. Sollte ich vielleicht mal besuchen, um zu sehen, was es Neues gibt. Wenn wir wieder Internetzugang haben.
4. Tag…
Tagesausflug in die weinselige Umgebung. In Barbaresco ein paar gute Tropfen verkostet und in einer kleinen Trattoria traumhafte hausgemachte Pasta mit Steinpilzen geschlemmt. Hmmm… Haben die eine Website? Sollte ich bookmarken. Und die Weine, einige davin gibt es bestimmt auch in Deutschland. Man müsste wissen welche. Sorry, hatte ich vergessen, kein Internet. Abends Jasper Fforde weiter verschlungen. Bei all seinen literarischen Anspielungen müsste ich mal ein wenig googeln. Habe mir ein paar Stichworte festgehalten, die ich unbedingt recherchieren muss, wenn wir zurück sind. Blöd, dass wir hier kein Internet haben.
5. Tag…
Puh, schon seit fünf Tagen keine Mails mehr empfangen. Wenn ich daran denke, dass zuhause Tag für Tag über 1.000 Mails eintrudeln, größtenteils Spam, die SpamSieve zuverlässig rausfischt natürlich, aber auch ein paar wichtige, wird mir ganz schlecht. Und ins Weblog kann ich derzeit auch nichts schreiben. Komisch, irgendwie fehlt mir das. Dabei gäbe es vieles zu berichten, hauptsächlich kulinarische Erlebnisse…
6. Tag…
Unten im Ort gibt es doch tatsächlich ein Café mit Internet-Zugang. Ich habe mal kurz reingeschaut. Der Cappuccino war göttlich. Aber mein Gott, der Internet-Zugang wie vor zehn Jahren. Kein offenes WLAN, sondern in einer dunklen Ecke zwei Uralt-PCs mit kabelgestütztem Bezahl-Zugang. Nein, das habe ich mir nicht antun wollen. Bin hart geblieben. Obwohl zuhause wahrscheinlich alles drunter und drüber geht, tausende Mails den Server verstopfen und ich mittlerweile eigentlich eine ganze Menge zu googeln hätte.
7. Tag…
Kein TV, toll. Kein Radio, okay. Kein Telefon, verschmerzbar. Kein Internet, nach spätestens einer Woche macht mir das echt Probleme. Eine Art Phantomschmerz wie nach einer Amputation. Offliner zwangsweise. Abgeschnitten von der Welt. Kein Google, kein ebay – ich hatte vorm Urlaub ein Leica R8-Gehäuse bei ebay eingestellt, keine Ahnung, wie hoch die Gebote mittlerweile sind – keine Foren, kein Message Board, kein Austausch mit Gleichgesinnten, kein Eintrag ins Weblog. HÖCHSTE ZEIT, DASS WIR WIEDER ABREISEN!
Und die Moral von der Geschicht‘? Ganz klar: Ein paar Tage ohne Internetzugang sind ganz schön. Nach spätestens einer Woche aber wünsche ich mir einen weltweiten, schnellen LAN-Zugang, wo auch immer ich gehe und stehe. Einfach, weil es überall und jeden Tag Anlass und oft auch die Notwendigkeit gibt, sich spontan Wissen aus dem Netz zu ziehen. Ein Leben ganz ohne Internetzugang? Für mich heute, an diesem 30.September 2007 nicht mehr vorstellbar und auch nicht wünschenswert.