Da hat Google ja wohl eine dicke Überraschung gelandet. Mit ‚Lively‘, einem vorerst nur unter Windows Vista/XP in den Browser integrierten 3D-Chatroom betritt man ein Terrain, auf dem sich das derzeit arg schwächelnde ‚Second Life‘ bisher tummelte. Allerdings nicht mit dem Konzept einer monolithischen Welt, sondern mit den individuellen Welten der einzelnen Nutzer, in denen nicht mehr als 20 Besucher sich gleichzeitig tummeln können. Und entgegen der bisher so Google-typischen intuitiven Einfachheit der Bedienung muss der ‚Lively‘-Nutzer erstmal Hausaufgaben machen und sich anhand eines vorgegebenen Baukastens einen 3D-Raum ausdenken und einrichten, in dem er sich zuhause fühlen will, bevor er seinen Avatar kreiert und sich mit anderen austauscht. Immerhin, wenn Google mit seinen gewaltigen Ressourcen in diesen Sektor der interaktiven Kommunikation einsteigt, dann kann dies neben den üblichen medialen Bebenwellen einiges auslösen. Auch wenn der aktuelle Status der 3D-Welt manches zu wünschen übrig lässt, kann man wohl davon ausgehen, dass allein der magische Name Google eine Nuztermenge generiert, die groß genug sein wird, um als kritische Masse die Welt mit Leben zu erfüllen. Genug Leben jedenfalls, um jenen Effekt auszulösen, der derlei Welten überleben oder schnell sterben lässt: funktionierendes social networking. Die Voraussetzungen zum Mitmachen – ein Google- oder Facebook-Account, Windows Vista oder XP Betriebssystem und Internet Explorer oder FirefoxBrowser – lassen aufrechte Mac-User außen vor. Vorerst.
Aufschlussreich ist indessen die Tatsache, dass Google nicht mit seiner virtuellen Welt auf SketchUp und Google Earth aufsetzt – was ja ein paar durchaus prickelnde Möglichkeiten eröffnet hätte – sondern den eher konventionellen Weg geht. Ein Weg, der zudem in der Startphase keine eigene Kreativität der Benutzer zulässt, da diese auf vorhandene Gestaltungsbausteine zurückgreifen müssen. Eine Einschränkung, die einige der kreativeren Geister eher abschrecken als anziehen dürfte. Aber es mag natürlich sein, dass ein simpler Chatten-im- 3D-Cartoon genau das ist, was Kids anzieht. Erwachsene hingegen werden deutlich anspruchsvoller bei der Wahl einer virtuellen Welt sein, in der sie ihre Zeit verbringen. Inwieweit andere Google-Ressourcen wie AdSense und YouTube Schjnittmengen mit ‚Lively‘ bilden werden, bleibt azuwarten. Googles bemerkenswertes Vermarktungsgeschick wird früher oder später auch ‚Lively‘ zur sprudelnden Geldquelle machen. Wenn auch sicher nicht in der jetzigen, frühen Form. Der Trick liegt vermutlich darin, dass sich die individuellen ‚Lively‘-Räume problemlos in bestehende Websites – in Zukunft sicher auch weitere aus dem Web 2.0 Raum – integrieren lassen…
Was bleibt also nach wenigen Stunden ‚Lively‘? Erstens die Überraschung, dass eines der potentesten Unternehmen der Welt Second Life und Co. Konkurernz machen will. Zweitens, dass man dazu den Weg einer Browser-gestützten Welt geht. Drittens, dass bestehende Google-Tools wie SketchUp und Google Earth nicht genutzt werden. Und viertens schließlich, dass allein schon die Tatsache, dass Google auf den bisher etwas lustlos vor sich hindampfenden Zug springt, die virtuelle und damit auch die reale Welt verändern wird.
Mal sehen, wo dieser Zug nun hinfährt und an welchen Stationen er noch Halt machen wird…
(©Screenshots: google.com)
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