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Frankfurter Buchmesse 2018 (6): Skurrilitäten am Rande

Veröffentlicht in Apple & Co, Gesellschaft, Internet, Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 15. Oktober 2018 | 18:13:06 | Roland Müller

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Jede Buchmesse, so auch diese, hat ihre ganz eigenen Skurrilitäten aufzuweisen. Einigen davon sind wir begegnet. Andere schienen uns zwar offenkundig, fielen vielen aber überhaupt nicht auf. weil manchmal der Kontext des Gesehenen erst im Umfeld seinen Sinn ergibt. Machen wir uns also ein letztes Mal auf den Weg durch die heiligen Bücherhallen Frankfurts…

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„Bitte nur mit Handschuhen anschauen!“ Dieser freundliche Hinweis prangt beileibe nicht auf irgendeinem Buch dieser Messe. Sondern auf einem klassischen Monsterwerk im berüchtigten SUMO-Format des Taschen Verlags…

FBM18_S03_MuralsOfTibet

Murals of Tibet kommt dieser Tage in limitierter Auflage auf den Markt. Und wieder einmal geht Taschen über die herkömmlichen Coffeetable Books weit hinaus. Und natürlich ist die Edition zum Stückpreis von lächerlichen 10.000€ von seiner Heiligkeit, dem 14. Dalai-Lama, höchstpersönlich signiert. Also, ganz schnell ordern, bevor das Büchlein vergriffen ist!

FBM18_S04_VermesDieHungrigen

Vergriffen haben wir uns selbst bei einem anderen Buch. „Die Hungrigen und die Satten“ von Timur Vermes hätten wir ganz gern durchgeblättert und angelesen. Doch dummerweise waren alle Exemplare am Stand des zum Bastei Lübbe Konzern gehörenden Eichborn Verlags noch eingeschweißt. Haben wir etwas verpasst dadurch? Gut möglich. Aktuell und satirewürdig ist das Thema unbedingt

FBM18_S05_JungeFachbesucher

Tja, und die Fachbesucher werden auch immer jünger…

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Da dürfen wir uns auch nicht über leuchtende Dracheneier wundern, wenn es darum geht, die neuen Schwergewichte von George R. R. Martin ins rechte Licht zu setzen.

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Sitzen, und zwar sehr bequem, kann auch Thomas Rensing, seines Zeichens Pressesprecher des Verlags Coppenrath und Wiese… ähem, natürlich ohne Wiese, der sichtlich entspannt im Chesterfield Sofa fletzt. Wie alle Jahre wieder, brilliert der Coppenrath-Stand mit einem gnadenlosen Wohlfühl-Ambiente, unaufgeräumt wie unser Büro. LOL.

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So ein Chesterfield-Sofa wäre natürlich ausgesprochen passend, um sich in dieses kunstvolle Bilderbuch des Prestel Verlags zu versenken:

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Hunderte Seiten voller Reproduktionen kunstgeschichtlich mehr oder weniger relevanter Leseszenen. Feinster Sehstoff für Deutschlands verbliebenes Bildungsbürgertum.

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Ausgerechnet unter der Plakatierung zu Daniel Silvas „Der Drahtzieher“ beobachten wir die konspirative Übergabe einer völlig unverdächtigen Papiertüte durch einen Pater an einen Mitarbeiter der deutschen Harper Collins Dependance. Oh, oh, ob das etwas zu bedeuten hat?

FBM18_S11_AlbinatiKatholischeSchule

Hat es womöglich etwas mit Edoardo Albinatis neuem Roman „Die Katholische Schule“ zu tun, einem so komplexen wie furiosen Lesevergnügen, das uns in das Rom der siebziger Jahre führt und unter anderem auch mit dem nicht geizt, was katholische Priester am meisten scheuen: Sex! Leider nicht alle, wie wir mittlerweile wissen… Ach ja, bei der Gelegenheit: das ist zugleich unser 34. LESETIPP!

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Dass die neualtgebauten Häuserzeilen am Frankfurter Römer mittlerweile auch als Bastelbögen erworben werden können, notieren wir im Vorübergehen mehr oder weniger aus dem Augenwinkel.

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Noch deutlich lokalpatriotischer kommen die Angebote des Mainbook Verlags daher. Die Titel insbesondere der Krimireihen aus Offenbach und Frankfurt lassen ein deutliches Augenzwinkern erkennen. Zumindest wollen wir das mal freundlich unterstellen, nachdem wir nicht die größten Fans des seit Jahren inflationären Trends zum Regionalkrimi sind.

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Unverhofft kommt oft, könnte man sagen. Ein anderer Trend, der sich längst breitgemacht hat, sind Bücherblogger. Meist junge, oft sehr engagierte LeserInnen, die ihre ganz subjektive Sicht der Buchwelt öffentlich kundtun. Nicht immer werbefrei, aber erfreulich oft mit guten Argumenten und wachem Verstand. Ausnahmen mögen die Regel dort bestätigen, wo die Verlagsindustrie mit verführerischen Angeboten ihre Influenzer generiert. Immerhin, dieses Spickzettelchen von Pauli, einer Schülerin, die ein Bücher- und Serienblog namens Bücherbeere betreibt, hat uns neugierig gemacht. Die Bücherauswahl mag alterstypisch sein, aber die kurzen Rezensionen kommen frtisch, ungeschminkt und ungekünstelt daher. Weiter so!

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Interessanterweise fanden wir den Zettel in einem Buch, das unser 35. LESETIPP ist: „Hysteria von Ex-Popliterat Eckhart Nickel. Bergheim, der Protagonist des Romans, ein unter einer olfaktorisch-kulinarischen Hypersensibilität Leidender, deckt nach und nach einen raffinierten Lebensmittelskandal auf, der dystopische Ausmaße annimmt und der als Plot durchaus kulturkritisch interpretiert werden kann. Lakonisch, aber mit schreiberischer Raffinesse verbreitet Nickel Unbehagen beim Anblick nicht nur von Himbeeren, sondern auch von mancherlei anderem, was täglich auf unseren Tisch kommt. Ein klasse Debütroman!

FBM18_S16_Zeitungsleser

Schön zu sehen, dass in der freies WLAN anpreisenden Ruhezone von Halle 3.0 auch dem geradezu antiken Vergnügen des Zeitungslesens gefrönt wird. Erstaunlich genug.

FBM18_S17_DrachenhausVerlag

Kleiner, feiner Verlag mit hübsch drapiertem Stand und einem nicht uninteressanten Programm, das sich um China dreht. Auch das gibt es auf der Frankfurter Buchmesse. In einem der Titel klingt sogar eines der hierzulande wenig bekannten Strategeme an…

FBM18_S18_Weinverkostung

Normalerweise fließt der Alkohol auf der Messe erst nach Messeschluss. Und dann später in größeren Strömen auf den diversen Verlagsparties in der City. Zumindest ein Weinverkostungsstand hat es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, allzu nüchterne Besucher bereits lange vorher in Lesestimmung zu bringen. Weinlesestimmung…

FBM18_S19_Setzbot

Bruchstückhaft, unkonzentriert wie sein Autor. Clemens J. Setz, dieser österreichischeSchalk, legt mit „Bot – Gespräch ohne Autor“ ein verwirrend authentisch wirkendes Gespräch mit in diesem Falle ihm selbst vor, gespeist nicht von der realen Person des Autors, sondern KI-generiert, wenn man dies glauben mag. Das ist durchaus witzig, was sogar der Tagesspiegel anerkennen muss. Wir gönnen Setz für diesen schrägen Blick in die Zukunft des Autoreninterviews einen sehr vorsichtigen, finalen und 36. LESETIPP.

FBM18_S20_YogiTeaLesezelt

Final, das heißt ENDE. Genau dort sind wir nun angekommen. Daran vermag auch das dubiose Lesezelt von Yogi Tea nichts zu ändern, dessen weihrauchigen Düfte uns im Vorbeigehen eher abschrecken als ins dunkle Innere zu ziehen.

Wir freuen uns, wenn Euch unser diesjähriger Aufgalopp zum Literaturspektakel in Mainhattan gefallen hat. Noch mehr, wenn Ihr dem einen oder anderen unserer LESETIPPS etwas abgewinnen konntet. Wir werden jetzt eine kleine Pause einlegen, um unsere private Shortlist jener Buchtitel zu erstellen, die wir im lokalen Buchhandel zu erwerben gedenken. Denn: Anlesen ist gut, auslesen ist aber nochmals besser. In diesem Sinne fröhliches Schmökern!

Euer Buchmesse-Team aus dem digitalen Café

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