Bücher erzählen Geschichten. Bilder tun dies auch. Zum Beispiel obiges von Ari Plikat. Wenn Cartoons richtig gut sind, schaffen sie es, mit wenigen Strichen das zu kommentieren, was unsere Zeit ausmacht. Und da gibt’s weißgott eine Menge zu kommentieren. Bitterböses, dem man sich nur mit ebensolcher Satire zu nähern vermag. Cartoons, wenn sie auf dem Punkt sind, schaffen das. Und nur Wenige sind berufen, unserer alles andere als heilen Welt mit der gebotenen Schärfe den Spiegel vorzuhalten, bevor sie erneut zur Heil brüllenden Welt wird. Wir haben uns auf den Weg gemacht zur Verleihung des Deutschen Cartoon Preises im Frankfurt-Pavillon auf dem Messegelände…
Ein sonniger Oktobertag, strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen trübt die gute Laune. Höchste Zeit also, dass wir uns mit den harten Realitäten der Republik auseinandersetzen. Die alljährlich vom Lappan Verlag organisierte Verleihung des Deutschen Cartoon Preises soll uns zurück bringen auf den harten Boden des Alltags. Möglichst so, dass uns das Lachen im Halse stecken bleibt. Schauen wir also mal rein in den Pavillon.
Oops! Leider ist die vorangegangene Veranstaltung noch nicht ganz beendet. Eine Horde Fotografen belagert Meg Wolitzer, Autorin des unaufgeregt feminsitischen Romans „Das weibliche Prinzip“, der hier auf der Buchmesse erstmals in deutscher Sprache vorgestellt wurde. Lustig zu beobachten, wie in ihrem Gefolge eine Schar begeisterter weiblicher Fans herumwuselt. Doch deswegen sind wir nicht hier…
Deswegen sind wir hier! Und gespannt darauf, was das Team des zu Carlsen gehörenden Lappan Verlags und Moderator Piero Masztalerz uns zu erzählen haben. Letzterer ist übrigens selbst Karikaturist und hatte bereits 2011 den Deutschen Cartoon Preis gewonnen. Vielleicht noch ein paar Faktem zum Deutschen Cartoon Preis:
Der Preis wird gemeinsam von der Frankfurter Buchmesse und dem Lappan Verlag (in der Carlsen Verlag GmbH) vergeben.
Die diesjährigen Preisträger setzten sich gegen mehr als 4000 Cartoons von 320 Zeichnerinnen und Zeichnern durch. Aus all diesen Einsendungen trafen die Herausgeber der Reihe BESTE BILDER eine Vorauswahl für das Buch BESTE BILDER 9, in dem 77 Künstlerinnen und Künstler mit 270 Cartoons vertreten sind. Auf Grundlage dieses Buches, das zeitgleich auf der Frankfurter Buchmesse veröffentlicht wurde, wählte die Jury die drei Gewinner des Deutschen Cartoonpreises 2018 aus.
Der Jury gehörten an:
Hendrik Hellige, Director Business Development Visual Culture & Kinder- u. Jugendbuch
Rolf Dieckmann, ehemaliger Humorchef stern
Antje Haubner, stellv. Programmleiterin Lappan Verlag
Wolfgang Kleinert, Chef Berliner Cartoonfabrik
Dieter Schwalm, stellv. Programmleiter Lappan Verlag
Martin Sonntag, Leiter Caricatura Galerie in Kassel
Damit zurück zur Veranstaltung…
Was nach der launigen Willkommensansprache folgte, war eine recht frivole Interpretation des altbekannten Märchens von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Auweia! Der besondere Gag dabei, Piero Masztalerz interagierte mit den drei Protagonisten, die per Videobeamer eingespielt wurden. Was bereits zu Beginn schreiend komisch war, als der hässliche, pickelige Apologet der Story von ihm angesprochen wurde, das Rotkäppchen zu geben. Das erste Missverständnis war damit bereits vorprogrammiert…
Doch das ließ sich bereinigen, wenn auch der Aufzug des erkennbar männlichen Rotkäppchen einiges zu wünschen übrig ließ, was treue Grimm’sche Märchenonkel wohl erwartet hätten…
Gleichwohl entwickelte sich die bekannte Geschichte recht flüssig. Na gut, dass Rotkäppchen im Wald einen völlig bekifften Wolf im Rastafari-Look antraf und mit ihm Kuchen und Wein teilte, mag nicht dem originalen Verlauf entsprechen…
Und auch mit der knallwachen Großmutter hatte der Wolf erkennbare Mühe. So sehr, dass er schließlich fraternisierte…
…und die ganze Geschichte in einer wilden Orgie endete, auf deren Details wir aus Pietätsgründen und zum Jugendschutz nicht näher eingehen möchten.
Damit war der Anfang gemacht und Wolfgang Kleinert, einer der Herausgeber des Cartoon Jahresrückblicks BESTE BILDER konnte die neue Ausgabe Nummer 9 vorstellen, in der natürlich die gesamte Longlist des Wettbewerbs vertreten ist. Womit es dann endlich mit der Verleihung der drei Preise losging. Beginnend mit dem 3. Platz…
Martin Perscheid. Dessen Stil sicher viele unserer LeserInnen kennen, bisher aber nicht seinem Namen zuordnen konnten. Nun, Perscheid ist einer von Jenen, die persönlich gerne im Hintergrund bleiben (ganz im Gegensatz zu zum Sieger der Veranstaltung, aber dazu gleich mehr).
Böse, böse, feinster Humor von der ganz schwarzen Sorte…
Die Laudatio für ihn hielt Martin Sonntag, seines Zeichens Chef der Caricatura, Galerie für Komische Kunst in Kassel. Ein Sonntagsredner also. Profund, würdig und witzig, ganz wie man es erwarten durfte.
Martin Perscheid, der sich auf Bühnen immer ein wenig unwohl zu fühlen scheint, nahm danach endlich und erleichtert seinen verdienten Preis entgegen. Und schon ging’s weiter zur Verleihung des 2. Preises…
Volker Kischkel aka „Mock“ traf es. Auch er alles andere als ein Unbekannter in der Szene. Leider hatte es der Norddeutsche nicht geschafft, persönlich anzureisen.
Unnötig, seine bissige Konterkarierung der leidigen Flüchtlingsdiskussion zusätzlich zu kommentieren.
Womit wir endlich beim verdienten Sieger angekommen sind. Fanfare! Die uns dann eh aus Lautsprechern entgegenschallte…
Stephan Rürup. Weder verwandt noch verschwägert mit dem Erfinder der unseligen gleichnamigen Rente. Aber im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen eine echte Rampensau!
So hatte er auch nichts Besseres zu tun, als vor seiner Siegerkarikatur in bester Teenie-Manier zu posen und Selfies zu schießen. Krass!
Krasser…
Am krassesten.
Aber natürlich entkam auch er nicht der verdienten Laudatio. Vermochte es sich aber auch nicht zu verkneifen, seine Freude – und die war ganz sicher echt – mit weiterer Bühnen-Performance zu feiern…
Zur Belustigung der Moderatoren, Kollegen und des gesamten Publikums.
Fast ein Wunder, dass es trotzdem gelang, ihm seinen Preis zu überreichen.
Insgesamt applaudierten wir einer gelungenen, kurzweiligen und themenbedingt selbstironischen Veranstaltung inmitten der ansonsten brutal kommerziellen Frankfurter Buchmesse. Die Unterschiede spiegeln sich nicht zuletzt in den ausgelobten Preisen für die Gewinner: Der Deutsche Cartoonpreis 2018 ist dotiert mit
3.000 € für den 1. Preis
2.000 € für den 2. Preis
1.000 € für den 3. Preis
Eigentlich, so finden wir, hätte die pointierte Interpretation der Höhen und Tiefen des Jahres 2018 mehr verdient, oder?
Mit diesen Gedanken verließen wir die Veranstaltung und überantworteten unseren bereits knurrenden Mägen das passende Futter. Wie schon Bert Brecht wusste: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
In diesem Sinne bis zu unserem nächsten Beitrag, der sich dann intensiv mit dem Ehrengast der diesjährigen Buchmesse auseinandersetzen wird, Georgien. CU!
Tags: 70. Frankfurter Buchmesse, Ari Plikat, Beste Bilder 9, Caricatura, Deutscher Cartoon Preis 2018, Frankfurter Buchmesse 2018, Lappan Verlag, Martin Perscheid, Martin Sonntag, Piero Masztalerz, Stephan Rürup, Volker "Mock" Kischkel, Wolfgang Kleinert
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