Drei Messen – Paperworld, Creativeworld und Christmasworld – 85.000 Fachbesucher aus 156 Ländern, das klingt erstmal nicht sooo eindrucksvoll, gemessen an den wirklich großen Messen wie Ambiente, IAA oder Frankfurter Buchmesse. Aber vielleicht sind ja gerade die kleineren Messen die interessanteren? Wir wollten es wissen und haben uns auf die Paperworld konzentriert. Und dort wiederum auf das, was uns im Schreibwarenumfeld besonders interessiert: Füllfederhalter, Tinten und dafür geeignete Papiere und Notizbücher, neudeutsch Notebooks genannt. Sind wir fündig geworden? Nun, wer uns begleitet bei unserem Paperworld-Rundgang, wird’s erfahren…
Begonnen haben wir natürlich in Halle 3 mit einem der „üblichen Verdächtigen“ – Pelikan. Was wir vorfinden ist aber lediglich der Stand der Pelikan Group. Und da konzentriert man sich weniger auf das traditionelle Standbein, die legendären Pelikan „Souverän“ Füllfederhalter, sondern allerlei Bürolösungen. Für unsere analogen Intentionen also eher uninteressant. Wir schlendern weiter…
Graf von Faber-Castell, ja, das schaut schon besser aus. Das gesamte Produktportfolio inklusive der hochwertigen Füller von Ondoro, über e-motion bis zu den Topmodellen ist in Vitrinen lecker präsentiert. Im Vorbeigehen schnappen wir auf, wie der Verantwortliche am Stand seine Mitarbeiterinnen darauf einschwört, ein Auge zu haben auf fingerfertige Laufkundschaft, die gerne mal „Souvenirs“ mitgehen lässt. Da wir nichts gravierend Neues entdecken, gehen wir ein paar Schritte weiter zu…
Staedler. Einer Marke, die wir eigentlich weniger auf dem Radar hatten, was hochwertiges Schreibgeräte angeht. Aber siehe da, Staedler präsentiert mit einigem Stolz seine (fremdgefertigten?) Premium-Füllfederhalter. Zumindest vom äußeren Augenschein erkennen wir hochwertige Materialien und ein an den tradierten Luxusmarken orientiertes Design. Hier die Limited Edition „Pen of the Season“ der Kollektion J. S. Staedler,…
Gleich daneben das Sondermodell „Guiseppe Verdi“ in 200 Stück Auflage, 18 k Feder, auf Rindleder gedrucktes Konterfei des italienischen Musikerfürsten und jede Menge Goldglanz. Sehr üppig und an eine augenscheinlich vermögende Klientel gerichtet, die den großen Opernauftritt liebt? Witzig, wenn zugleich der Namensgeber Verdi auf der Staedler Homepage als „bescheidenes Genie“ tituliert wird.
Aber egal, wir sind um jeden deutschen Hersteller froh, der noch derlei analoges Schreibgerät zu vertreiben bereit ist. Selbst wenn er sich mit dem Sondermodell „Bavaria“ heftig vor seiner bayerischen Heimat verneigt. Nichtdestotrotz vermissen wir unterhalb dieser Luxuskategorie eine Serie, die innovativ daherkommt, sich aber an eine „normalere“ Kundschaft richtet und weniger an Raritätensammler mit Hoffnung auf Wertsteigerung.
Da ein ordentlicher Füller nichts wert ist ohne adäquates, tintentaugliches Papier, halten wir die ganze Zeit über Ausschau nach passenden Angeboten. Klar, Notebooks finden wir hier wie Sand am Meer. Doch nachgefragt, welches Papier verwendet wurde, ernten wir meist Ausflüchte oder ein „Ich weiß nicht, da muss ich mal fragen“. Ausnahmen, auf die wir noch zu sprechen kommen, bestätigen diese Regel.
Immerhin fällt uns hier und da auf, dass in Spätfolge von Midori Travel Notebook und Co. doch allerlei recht gelungene Versuche gemacht werden, ästhetisch befriedigende, mit Naturmaterialien aufgewertete Varianten des unendlich vielfältigen Notizbuchthemas auf den Markt zu bringen – so wie hier z. B. das senseBook in der Variante FLAP, von Holtz in Wiesbaden unter der Marke transotype vertrieben. Nicht schlecht, sehr puristisch, durchaus füllertauglich (kein Ausblühen) und mithin eine Überlegung wert.
In Halle 6 werfen wir kurz einen Blick auf den Stand von Leuchtturm1917, einer Papier- und Notebooks-Marke, die als bestens etabliert gelten darf in Kreisen der Anhänger analoger Schreibkultur.
Wir amüsieren uns über die Kartonsteckbausätze von Werkhaus. Wirklich witzig die neue Monsterkollektion fürs Kinderzimmer. Oder vielleicht sogar fürs Büro?
Eine Ecke weiter finden wir dann den Messestand von Kaweco – unserer Meinung nach den vom Design her gelungensten Stand der Paperworld, ganz im Stil einer 50iger Jahre Industriewerkstatt.
Wir schauen uns die neuen Produkte an – Liliputs in Kupfer und Messing, dazu die legendären Fallbleistifte, ebenfalls nun in Messing. Schick, originell und absolut bezahlbar. Auch die neuen Goldfedern konnten wir kurz probeschreiben: sehr, sehr weich laufend und für 99 € zum Nachrüsten ausgesprochen bezahlbar, bedenkt man die Preise, die für 14k oder 18k Federn ansonsten aufgerufen werden.
Ebenfalls ausgestellt die derzeit acht Kaweco Tinten, nach Kaweco-Rezeptur von einer wohlbekannten österreichischen Tintenmanufaktur hergestellt. Nach ersten Tests hier offenbar sehr gelungene Vertreter ihrer Gattung, randscharf, mit ausgezeichneter, aber nicht übertriebener Sättigung.
Noch ganz tintentrunken wechseln wir hinüber zum Moleskine Stand. Einmal mehr bedauern wir, dass Moleskine zwar vorzügliche Notebooks herstellt, diese aber bisher nicht gerade durch besondere Füllertauglichkeit glänzten. Gibt es da vielleicht etwas Neues zu berichten?
Nicht wirklich. Vielmehr scheint Moleskine sich zu bemühen, den Anschluss an die digitale Welt zu finden. Mit einem bereits 2012 als Smartbook vorgestellten Notizbuch, das via Smartpen und Evernote Einträge zu digitalisieren und damit PC- und Mac-nutzbar zu machen vermag. Aber im Vertrauen: wollen wir das wirklich? Ist es nicht gerade der Reiz des analogen Schreibens und Notierens, dass eben keine direkte Schnittstelle zur hektischen Digitalwelt besteht?
Wir wenden uns ab und Caran d’Ache zu, der Schweizer Traditionsmarke mit Hauptsitz in Genf, die heute ihren 100. Geburtstag feiert. Und, was noch mehr Respekt abnötigt, die bereits in der 4. Generation als 100prozentiges Familienunternehmen geführt wird. Chapeau!
Neben den „schrägen“ und zugegebenermaßen teuren Tinten und der neuen, sehr verspielt femininen Schreibgeräteserie Ecridor Mademoiselle fällt uns zumindest eine Füllerneuheit ins Auge…
Der immer noch wunderschöne, sensationell verarbeitete Caran d’Ache Léman wird nun auch in einer Variante „Caviar Guilloche Laquer“ angeboten. Edel, edel. Aber nicht so aufdringlich wie mancherlei Konkurrenzprodukt im Luxussegment. Und dies aus eigener Erfahrung – ein wirklich fantastisch gut, satt und sanft schreibender Vertreter seiner Zunft. Mit einer nachträglich auf Italic Cursive umgeschliffenen Goldfeder ist er für Füller-Freaks wie uns ziemlich nah am idealtypischen Füllfederhalter.
Wir verlassen die Eidgenossen und finden uns einen Gang weiter bei Les Plumes de L’Ange ein. Ein kleines, ambitioniertes Start-up Familienunternehmen aus Belgien, das sich ebenfalls der analogen Schreibkultur verschrieben hat und mit großem Enthusiasmus ästhetisch und materialtechnisch sehr gelungene Füllfederhalter herstellt, vorzugsweise aus Metall, patronen- oder teilweise auch konvertergespeist. Verblüffend der günstige, in der Regel zweistellige Preis der Füller, die durchaus eine Caran d’Ache ähnliche Haptik erreichen, mit hochwertigen Bock-Federn ausgestattet sind und Neueinsteigern ins Handgeschriebene ein sehr wertiges Schreibgerät in die Hand geben.
Die Modelle wirken derzeit noch von der Größe her eher auf die weibliche Hand zugeschnitten, zeigen dabei Stil und Klasse! Wenn sich demnächst noch ein etwas größeres Modell dazugesellte, wäre uns das durchaus einen Testbericht wert.
Vielleicht auf Basis des neuen „Angel Pen“ mit seiner feinen Gravur von Federn auf dem Metallkorpus? Immerhin ein Füller mit dem von uns bevorzugten Tintenkonverter (wenn’s schon kein Kolbenfüller ist). So oder so verdient der unternehmerische Mut der Familie de Lange Respekt. Und er beweist, dass selbst auf dem vermeintlich sehr traditionellen Sektor analoger Schreibgeräte noch Platz für ambitionierte Newcomer ist!
Im Vorübergehen werfen wir einen Blick auf die Designbooks von Fantasticpaper. Das erfrischende Design, die hochwertige, schnörkellose Anmutung und sehr gutes Papier von Munken oder Fedrigoni lässt uns hoffen, dass mit diesen Notebooks auch unsere Füllfederhalter gut harmonieren werden. Ein Test allerdings war am Stand nicht möglich.
Das Flexbook der griechischen Firma The Writing Fields macht uns neugierig. Unweit des Moleskine Standes lassen wir uns von freundlichen Athenern erklären, dass die neue, patentierte Bindung der Flexbooks es ermöglicht, die Notizbücher jeder Dicke plan aufzuschlagen, sogar um 360 Grad umzufalten, eben all das mit ihnen anzustellen, was man sonst tunlichst vermeidet, ohne dass sich das Papier irgendwann aus der Bindung verabschiedet.
Wir haben es ausprobiert: es funktioniert tatsächlich! Die innovativen Griechen haben da wohl ein uraltes Problem von uns Vielschreibern gelöst. Ein Schreibtest folgt hier noch demnächst. Denn offenbar sind die Flexbooks auch recht füllertauglich. Ein erster Test zeigt, dass die Tinte zwar satt ausläuft, dabei aber randscharf bleibt! Allerdings scheint die Schrift auf der Rückseite doch leicht durch. Nichtdestotrotz eine interessante und für den Alltagsgebrauch sehr nützliche Innovation!
Doch kommen wir nochmal zurück zu den Füllfederhaltern. Lindauer war natürlich ebenfalls auf der Messe präsent. Mit einem schier unüberschaubaren Angebot preiswerter und gut verarbeiteter Füller. Besonders anerkennenswert: Lindauer bietet als einer von wenigen Anbietern des Genres immer noch eine breite Palette von Federbreiten an. Vorbildlich!
Das Sortiment dürfte für jeden Geschmack etwas Passendes bieten. Sowohl in moderneren Designs…
…als auch in traditionelleren Ausprägungen mit ganz bewussten Anklängen an Delta, Omas und Co. Da kann man es verschmerzen, dass auch Sehhilfen und allerlei Tand das Produktportfolio ergänzen.
Zum Abschluss machen wir noch einen Abstecher in Halle 10, die randvoll ist mit asiatischen Ausstellern jeglicher Couleur. Darunter auch einige ganz wenige, die Füllfederhalter anbieten. Zwischen allerlei Belanglosem ist uns zumindest Coromat aus Taiwan aufgefallen, die mit ihren hauptsächlich aus Metall und Kunststoff gefertigten Füllern mit deutschen Iridium-Point oder alternativ Schmidt Federn geradezu typisch dastehen für die Fernostentwicklungen (sieht man mal von TWSBI ab).
Allerdings waren wir dann doch irgendwie fasziniert vom Enthusiasmus, mit dem uns zwei junge Chinesen ihr jüngstes „Baby“ vorlegten, ein wirklich winziger Coromat-Füller – kleiner als ein Kaweco Liliput – der aber immerhin mit einem Tintenkonverter ausgestattet war. Niedlich!
Den Schlusspunkt unseres Messerundgangs bildete ein Besuch am Stand des thailändischen Unternehmens Zenith Enterprise, dessen unter anderem in Japan mit Designpreisen ausgezeichnetes ZEQUENZ Classic 360 Notebook uns aufhorchen ließ. Ähnlich wie die weiter oben beschriebenen kreativen Griechen hat man sich in Thailand eine Bindung einfallen lassen, die buchstäblich nichts krumm nimmt, nicht einmal das komplette Umbiegen des Notizbuches. Der „Trick“ ist eine hochfeste, halbrunde Klebebindung, die zugleich ein sehr angenehmes Aufliegen des Notebooks ermöglicht. Vorbildlich! Aber leider ist das Papier (noch) wenig tintentauglich. Was aber, wie wir auf unserem Rundgang gesehen haben, für viele Anbieter gilt. Schade. Unser ultimativer Maßstab, das geradezu magische Tomoe River Papier von Tomoegawa, wird wohl noch auf absehbare Zeit unerreicht bleiben. Vielleicht findet sich ja doch irgendwann ein eruropäischer Distributor? Es wäre zu wünschen.
Damit beenden wir unseren diesjährigen Rundgang über die Paperworld und freuen uns auf Kommentare und Anregungen – das Außenteam von Café Digital.
Tags: Frankfurt, Füllfederhalter, Messe, Paperworld 2015, Papier, Schreibkultur, Tinte
« Die Freuden des analogen Schreibens | Feuer, Stahl und Tinte (1) »
Hallo Roland,
danke für den ausführlichen Bericht. Ich werde nächstes Jahr doch mal nach FFM fahren müssen.
Gruß
Karl