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NEXT11 – DATA LOVE. Wie weit darf die Liebe gehen?

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Medien, Mobilität, Technologie | 19. Mai 2011 | 16:05:08 | Lars Heidemann

Cloud Computing

Wir wollen Informationen. Immer und überall. Schnell. Nichts verpassen. Die Weltzeit wird nicht mehr in Sekunden oder Minuten gemessen, sondern in Bits, Klicks und Ticks.

Wir wollen es bequem haben. Immer und überall. Einfach. Nicht kompliziert. Das eigene Wohlbefinden wird daran gemessen, wie schnell sich unsere Umwelt an unsere Bedürfnisse anpassen kann.

Als Apple am 11. Juli 2008 den App Store vorstellte und die Möglichkeiten der Steuerung von Hardware durch Apps bewarb, wurde ein Traum geboren. Interaktion durch ggf. vordefinierte Parameter mit der Umgebung.

Wie sagte einer der Referenten während einer der wenigen guten Sessions auf der NEXT? „Scheiß auf den Internet-Kühlschrank.“ Über den wollen wir nichts mehr lesen. Recht hat er. Also lasse auch ich den Kühlschrank da, wo er hingehört, er wurde schon zur Genüge als Beispiel zitiert.

Neues Beispiel: Ich checke im Hotel ein, mein Device (es muss ja nicht zwingend ein iPhone sein – besser wäre es aber), ausgestattet mit NFC (Near Field Communication), checkt für mich ein, bezahlt. Ich bekomme nur noch eine Zimmernummer zugeteilt. Erklären muss man mir den Weg zum Zimmer nicht mehr (wer bis heute nicht gelernt hat praktisch zu denken, dem kann kein Device der Welt mehr helfen). Aber mal angenommen ich wüsste mit der Zimmernummer nichts anzufangen, dann würde mir mein Device den Weg zu meinem Zimmer weisen, den Fahrstuhl ordern und dessen Fahrt intelligent mit den Haltewünschen der anderen Gäste abstimmen, um eine möglichst effiziente Wegstrecke zu wählen. Die Zimmertür geht automatisch auf, wenn ich davor stehe. So verzichte ich auf Schlüssel, Zimmercodes oder Keycard.
Wenn ich eintrete, ist das Zimmer schon auf eine mir angenehme Temperatur klimatisiert, weil die Klimaanlage seit dem Einchecken schon darüber informiert ist, welche Temperatur ich tagsüber bevorzuge und welche zum Schlafen.
Ich muss beim Händewaschen oder Duschen nicht mehr mit Warm und Kalt experimentieren, weil das Wasser mit einer mir angenehmen Temperatur aus dem Hahn oder Duschkopf kommt. Aus den Lautsprechern schallt Musik meines aktuellen Lieblingsalbums und wenn ich den Fernseher einschalte, sind die Programme so geordnet, wie ich es von zuhause gewohnt bin. Keine Knöpfe drücken, keine Codes eingeben, keine Kombinationen merken. Mich auf die wichtigen Dinge des Lebens konzentrieren.

Die Daten sind dabei nicht auf meinem Device gespeichert, sondern liegen in der Cloud. Das Device ist nur das Kommunikationsmedium mit meiner direkten Umwelt. Die Einstellungen werden durch meine tägliche Interaktion mit meiner Umwelt aktualisiert und angepasst – in Nuancen. So sind sie nicht nur von mir zu nutzen, sondern dienen auch meinem Lieblings-Shopping-Portal dazu, mir nur Dinge vorzuschlagen, die ich mag. Urlaub, Parfum, Autos.

Wenn ich einkaufen gehe, ist mein BMI (Body Mass Index) in der Cloud hinterlegt, weil meine Waage jeden Morgen die aktuellen Daten hochlädt. Damit bekomme ich beim Einkaufen nur Lebensmittel empfohlen, die mich möglichst nah am Idealwert halten.
Entgleist etwas, wird dies meiner Krankenkasse mitgeteilt, die mir umgehend Informationen zukommen lässt, was ich zu ändern habe, damit sie mich als treuen Kunden behalten können, ohne dass mein Beitrag angepasst werden muss, weil ich statistisch gesehen in 15 Jahren mehr koste, als meine Beitragszahlungen abdecken würden. Das ist fairer für die Mitversicherten, die ja diese Last zu tragen hätten.

Horden von Programmierern sitzen täglich daran, diese schöne neue Welt für mich entstehen zu lassen und entwickeln Algorithmen, um mein Wohlbefinden zu steigern.

Na? Löst dies bei Dir Unbehagen aus? Stört es Dein Wohlbefinden, dass alle Welt weiß, dass Du auf Philadelphia mit Milka Geschmack stehst, weil es wieder jemand geschafft hat, die Datenbank eines Datensammeldienstes zu hacken?

Sieh es mal so: sei froh, dass man sich nur über Deinen komischen Geschmack lustig machen kann, denn Deine Kreditkartendaten liegen nicht in der Cloud, Du authentifizierst Dich ja nur über Dein Device, das eine noch nicht im Ansatz zu erahnende, super sichere Verschlüsselungsmethode besitzt.

Du magst also Milkadelphia. Das soll aber niemand wissen? Aber Du checkst im Supermarkt, an der Tankstelle oder am Start- und Zielflughafen über einen der unzähligen Location Based Services ein. Du schreibst auf Twitter, was Du gerade gegessen hast, postest ein Foto von Deinem Dessert oder von Deinem Ferienhaus auf Malle.

Es wird Zeit, dass wir uns Gedanken über die wirklich schützenswerten Daten machen. Also die Daten, die man nicht sowieso preisgibt und die durch geschicktes Datamining von pfiffigen Infoscouts, datensammelnden Gewinnspiel-Aktionen, Datenkranken und Payback Accounts zusammengeführt werden, um genau so ein individuelles, Wohlbefinden auslösendes Profil zu erstellen, wie ich es weiter oben beschrieben habe.

Genau das war eigentlich Thema der NEXT. Wie nutze ich Profilinformationen sinnvoll, wie und wo lege ich sie für einen hochperformanten Zugriff ab und wie schaffe ich es Daten in Dinge zu bekommen, damit sie mir Wohlbefinden bereiten.

Cookies? Das war Gestern, sie nutzen mir nämlich nicht. Szenario gefällig?
Morgens bestellt sich Mama auf Amazon mit dem Rechner ein Kochbuch, mit dem der Junior Mittags seine aktuelle Dosis Musik herunterlädt und mit dem Papa sich spät abends, wenn schon alle schlafen, einen Film ausleiht, um für Entspannung nach dem stressigen Arbeitstag zu sorgen.
Welchen Nutzwert ziehe ich denn bitte aus den Informationen des Cookies? Eben. Das will doch keiner haben.

Also brauche ich Realtime-Tracking. Performantere Netze und intelligentere Dinge, die meinen Alltag begleiten und mir helfen, aber nicht als störend, höchstens als „nett“ wahrgenommen zu werden.

Keinen geringeren Anspruch hatten die Referenten, die auf der NEXT11 sich, ihr Unternehmen und ihre Ideen präsentiert haben.

Das löst immer noch Unbehagen aus? Dann hilft nur auswandern. Irgendwo hin, wo die Infrastruktur für ein Leben in der Cloud nicht ausreicht. Aber das wird zunehmend schwieriger. Wir sind die Cloud. Wir machen die Regeln. Wer das verstanden hat, macht es sich deutlich einfacher.

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Eine Antwort zu “NEXT11 – DATA LOVE. Wie weit darf die Liebe gehen?”

  1. 26. Mai 2011 um 00:33:41 | RollingFlo sagt:

    Wichtiges Thema schön anschaulich gemacht. Gefällt mir gut.
    Ich möchte auch auf die Sponsoren der Next11-Konferenz aufmerksam machen… interessante Mischung…

    Habe natürlich auch ein iPhone und was die viele der tollen Apps so alles über einen ausplaudern, wüsste man schon gerne, so aus „profitierenden“ Konsumentensicht.