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Frankfurter Buchmesse 2022 (1): Ein erster Rundblick

Veröffentlicht in Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 20. Oktober 2022 | 12:26:48 | Roland Müller

Da sind wir also wieder. Als wenn nichts gewesen wäre. Komisches Gefühl. Zugegeben, auf den ersten Blick scvheinen weniger Fachbesucher unterwegs zu sein als in den Jahren vor dem Unaussprechlichen. Aber das täuscht. Laut offizieller Pressemitteilung verzeichnet die 74. Frankfurter Buchmesse (19.-23.Oktober 2022) 4000 Aussteller aus 95 Ländern, auf zehn Hallenebenen, mit zahlreichen Bühnen auf dem Messegelände, mehr als 2000 Events und 4000 akkreditierte Journalist:innen. Sie ist also zumindest von der Ausstellerseite her in voller Präsenz zurück. Da wir an unserem ersten Messebesuchstag früh unterwegs sind, gehen wir davon aus, dass sich die Gänge und Hallen im weiteren Verlauf des Tages rasch füllen werden.

Halle 3

Aus alter Tradition steuern wir als erstes Ziel Halle 3 an. Dort werden wir auf zwei Hallenebenen erkunden, was sich Neues zeigt im Bereich Belletristik und Sachbuch. Zumindest beim Wetter scheint uns das Glück schon mal hold zu sein …

Halle 3.0

Im Basement der Halle 3 geht es so früh am Morgen noch recht entspannt zu. Das Personal an den Ständen der großen und kleinen Publikumsverlage ist noch fit und wach. Wir machen uns also ebenso fit und wach auf den Weg …

King George III

Und wer kreuzt da unseren Weg? Ausgerechnet King Charles III., den der Verlag Busse Seewald akquiriert hat, um auf seine Lifestyle-Buchprodukte aufmerksam zu machen. Ob der gute Charles wohl davon weiß?

Sie hier hätte das ganz bestimmt nicht goutiert! Vermutlich wird ihre bei Lübbe erschienene Biografie bei den Fans der britischen Royals schon bald im Bücherregal stehen. Immerhin, im Vergleich zu manch anderer Prominenten-Biografie dürfte diese hier durchaus lesenswert sein, deckt sie doch ein ganzes Menschenalter ab. Wir schlendern weiter …

S.Fischer Verlag

Etliche Meter weiter entern wir den gewohnt großzügig angelegten Stand des S. Fischer Verlags – korrekterweise der S. Fischer Verlage … einer der Platzhirsche der deutschen Verlagsszene. Auch wenn uns das einträchtige Nebeneinander von Greta Thunberg und Herrn Precht nebst Co-Autor Welzer ein wenig verwundert, erschließt sich uns der Hintergedanke doch recht schnell: beides Aufreger für Teile der Gesellschaft. Während man zu Greta nichts mehr sagen muss, sie steht für sich, mühen sich Precht und Welzer bewusst provokan, der vierten Gewalt eins aufs Haupt zu geben. Berechtigt? Unberechtigt? Da maßen wir uns kein Urteil an.

Wir schauen uns weiter um. Schließlich hat das S. Fischer Verlagsprogramm mehr zu bieten. Insbesondere in Sachen Belletristik. Wir picken uns ein, zwei unserer Favoriten heraus. Zum Beispiel …

Tommy Jaud: Komm zu nix

Die bei Scherz erschienenen Gute-Laune-Storys Komm zu nix von Tommy Jaud sind schräg, sehr locker geschrieben und vielleicht die perfekte Medikation für alle, die an den mentalen Nebenwirkungen von Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise leiden.

Jörg Maurer: Shorty

Etwas anspruchsvoller kommt gleich nebenan Jörg Maurers Roman Shorty daher. Die ausgesprochen schräge Weltrettungsgeschichte um den ein wenig einfältigen Shorty ist ganz anders gestrickt als die lange Reihe der Maurer’schen Kriminalromane um Kommissar Jennerwein. Gut möglich, dass sich der Autor diesen Befreiungsschlag von seinem angestammten Genre geleistet hat, um mal so richtig schön drauflos fabulieren zu können. Herrliche Anspielungen auf Medienhysterie, Verschwörungstheorien und unsere Abhängigkeit vom Smartphone machen Shorty zu einem wirklich gelungenen Lesevergnügen. Gerade in Zeiten wie den herrschenden. LESETIPP!

Katrin Eigendorf: Putins Krieg

Wer sich stattdessen doch lieber mit den Härten unserer Zeit auseinandersetzen möchte, dem sei Katrin Eigendorf empfohlen. Die gestandene Journalistin darf mit Fug und Recht als Kriegsreporterin bezeichnet werden. Denn im Gegensatz zu vielen ihrer Kolleg:innen hat sie sich nicht in sicherer Entfernung, gewissermaßen in der Etappe, eingegraben, sondern ist genau dorthin gegangen, wo der Ukraine-Krieg seine wechselnden Frontverläufe zieht. Putins Krieg fasst zusammen, was wir über die Hintergründe dieses Verbrechens einer Clique von Ex-KGBlern im Kreml wissen müssen.

Nachdenklich ziehen wir weiter, vorbei an langen Regalwänden voller Thriller, Regionalkrimis und jeder denkbaren Art von Unterhaltungsliteratur.

Stern Büchertalk

Am Stand von Penguin Random House stolpern wir mitten hinein in den laufenden Stern Büchertalk mit Sebastian Stuertz. Die Interviewerin löchert ihn mit der Frage, ob es legitim und überhaupt machbar sei, sich in die Tiefen aktueller Jugendsprache zu begeben. Bisher galt das in Autoren- und Kritikerkreisen eigentlich als no go. In seinem herrlich komischen Roman Da wo sonst das Gehirn ist, erschienen bei btb, scheint das tatsächlich gelungen zu sein. Vielleicht mal reinlesen, bei Gelegenheit? Wir sind nicht abgeneigt.

Matthias Matschke: Falschgeld

Von ganz anderer Natur, oft tragikomisch, ist Matthias Matschkes bei Hoffmann und Campe verlegter Debütroman Falschgeld. Erstaunlich genug, dass ein Schauspieler, der im TV eher für saftige Komik und Satire bekannt ist und auf den Theaterbühnen auch vor sehr anspruchsvollen Rollen nicht zurückschreckt, eine solch feine, leichte und anrührende Sprache spricht. Ein lediglich autobiografisch anmutender (!) Rückflug in die siebziger und achtziger Jahre, als so vieles möglich schien. Sehr persönlich, sehr lesenswert, mit einiger Raffinesse geschrieben und gerade wegen des intensiven Blicks auf die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens und der Zeit lesenswert. Wir sind davon mindestems so angetan wie der NDR.

Damit genug für heute. Wir sehen uns morgen wieder …

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