Dunkle Wolken über der 61. Frankfurter Buchmesse? Keine Spur. Auch wenn es im Vorfeld die erwarteten Irritationen gab bezüglich des diesjährigen Gastlandes China. Teils von der Messeverwaltung selbst verschuldet, teils durch die bekannt starre Haltung der chinesischen Kultur- und sonstigen Bürokraten verursacht, ja provoziert. Aber Ambivalenz hat ja einer Buchmesse noch nie geschadet. Wir machen uns also gespannt auf den Weg…
Am gestrigen ersten Fachbesucher-Messetag war das sich in dem kommenden Tagen steigernde Getümmel noch vergleichsweise überschaubar. Nichtdestotrotz, da hetzen und hasten schon eine ganze Menge Menschen durch die Gänge.
Wir beginnen schon traditionell unseren Rundgang in Halle 3. Hier ballen sich die großen deutschen Verlage. Jene, die ihr Geschäft nicht zuletzt mit Megasellern machen wie etwa…
…Dan Browns „Das verlorene Symbol“, in dem einmal mehr Professor Robert Langdon sich auf die Fersen von allerlei düsteren Geheimbünden heftet. Aber ganz ehrlich – und nichts gegen den Illuminati-Autor – aber so langsam nervt uns die eingleisige Ausrichtung des erfolgreichen Bestsellerautors, der hierzulande von Lübbe verlegt wird. Kein Frage, ungeachtet dessen wird das wieder eine Goldgrube für Autor und Verlag werden.
Wir schlagen uns durch zum heftig belagerten FAZ-Forum und haben Glück! Denn hier liest gerade Dieter Wellershoff aus seinem neuen Werk „Der Himmel ist kein Ort“. Erschienen bei Kiepenheuer & Witsch. Und das ist in der Tat ein außergewöhnlicher Roman! Keine unbedingt leichte Kost, aber eine so sensible wie subtile Geschichte, zwischen Krimi und Gesellschaftdrama pendelnd, stimmungsvoll und gefühlssicher, von brillanter Sprache. Unser erster Lesetipp!
Wo die FAZ ist, kann die Frankfurter Rundschau nicht weit sein. Im FR-Autorengespräch stellt sich Dr. Eckart von Hirschhausen den gar nicht bohrenden Fragen der Kulturredaktion. Der Moderator, Kabarettist und Autor tut dies mit der ihm eigenen Nonchalance und dezenten Hinweisen auf seinen bei Rowohlt verlegten und mit einem eigenen Glücksportal flankierten Bestseller „Glück kommt selten allein“, der messepünktlich in der Hörspielfassung vorgestellt wird.
Und nach diesem ganzen Mainstream stolpern wir dann auf den Stand des Knaus Verlags und lesen uns dort buchstäblich fest. Ei wei, aber wie! Und zwar gleich doppelt. Beide Male in Büchern chinesischer Exilschriftsteller. Beide Male ausgesprochen skurrile Geschichten, schräg, poetisch, einfach märchenhaft schön – und zugleich von sehr subtiler Systemkritik am heutigen China durchdrungen. Wir empfehlen dringend zur Lektüre „Love, Revolution und wie Kater Haohao nach Hollywood kam“ von Li Dawei. Ein herrlicher Rösselsprung zwischen China und den USA, zwischen Roman und Comic, mal satirisch, immer komisch und augenscheinlich sehr gut ins deutsche übersetzt. Aber lassen wir doch einfach den Autor selbst zu Wort kommen…
Gleicher Verlag, gleicher Stand, ebenfalls chinesische Prosa… und ein ebenso reizvolles wie kritisches Buch ist „Ein Ufo, dachte sie…“ von Xiaolu Guo. Eine entzückende Idee trägt die Story und lässt darin ein auf dem Acker einer Bäuerin notgelandetes UFO mit der chinesischen Staatsbürokratie aufeinanderprallen. Hinreißend, hintergründig, einfach ein großer Lesespaß. Die in London lebende Autorin hat übrigens eine eigene Website, ganz so, wie sich das heutzutage gehört.
Nach soviel Leserausch verweilen wir gern am Stand von Kultiversum. Kulti-was? Kultiversum ist eine neu gegründete Kulturplattform im Internet, die in Kürze freigeschaltet ist. Klar, dass die Famen und Herren twittern. Weniger klar, aber um so erfreulicher, dass hier sehr professionell Literatur, Theater, Ballett und Oper eine Online-Heimat finden, die zu durchschmökern sich unserer Meinung nach lohnen wird.
Jedenfalls ist das unser unmaßgeblicher Eindruck nach einem ersten Blick auf die Betaversion der neuen Plattform.
Bereits ein wenig erschlagen von den vielen Buchstaben, die uns umgeben, flanieren wir weiter und finden endlich etwas Augenfutter: Comics haben mehr denn je Konjunktur. Entsprechend zahlreich sind die Stände. Bis hin zur Lieve-Performance wie hier. Gleich dahinter entdecken wir dann ein Megaevent der Comicszene, nämlich…
…Die Präsentation des lange erwarteten neuen Asterix-Bandes, pünktlich zum 50jährigen Jubiläum des alerten Klischee-Galliers und seines dicken Kumpans Obelix. Wobei es sich eigentlich ja eher um einen Geburtstagssonderband, eine nach Uderzos eigenen Worten „Hommage“ an das berühmte gallische Duo handelt.
Wo die großen Verlage präsentieren, sind gottlob auch die zahllosen kleinen „Independents“ nicht weit. Immerhin sind sie es, die einen Großteil der Vielfalt unserer Verlagslandschaft ausmachen – was eigentlich ein ganz eigenes Thema fürs Café wäre. Um so positiver finden wir es, dass sich der Arbeitskreis kleinerer unabhängiger Verlage auf dieser Buchmesse mit einem Gemeinschaftsstand präsentiert. Und das nicht schlecht. Die beiden freundlichen Damen am Counter zeigten sich jedenfalls in blendender Laune und versprachen uns, auch in den kommenden stressigen Messetagen ihr sonniges Lächeln beizubehalten. Wir drücken die Daumen, dass ihnen dies gelingt.
Nach diesem ersten Ritt über die weltgrößte Buchmesse sinken wir ermattet wie offensichtlich viele andere Fachbesucher in ein Sofa und planen unseren zweiten Messetag. Der wird dann ganz im Zeichen des Gastlandes China stehen. Insofern: stay tuned!
Tags: Frankfurt, Frankfurter Buchmesse 2009, Messereport, Messetag
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[…] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von Dirk Kirchberg und cafedigital, MacGuardians erwähnt. MacGuardians sagte: RT @cafedigital: Roland und Gila schlenderten über die Frankfurter Buchmesse. Bilderreiche Berichte: http://j.mp/1cjcWv & http://j.mp/2XYaPV […]
Mehr mehr mehr mehr! 😉 Danke.
[…] und ausgedruckt, um im digitalen Cafe wieder brühwarm aus den Messehallen zu berichten. Wie bereits im vergangenen Jahr. Wobei der diesmalige Ehrengast Argentinien sicher etwas weniger ambivalent wahrgenommen werden wird […]