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Veröffentlicht in Gesellschaft, Technologie | 28. Juni 2008 | 14:12:03 | Roland Müller

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Am 1. Juli 2008 ist es soweit. Eine Frühverrentung erschüttert die IT-Welt, wenn nicht gar die Welt. Nach mehr als 12.000 Tagen in Diensten von Microsoft scheidet der Gründer Bill Gates – korrekter: William H. Gates III. – aus dem Unternehmen aus. Er bleibt dem Software-Moloch zwar noch verbunden, dies aber nur wenige Stunden wöchentlich. Ansonsten wird er sich um seine Bill-and-Melinda-Gates-Foundation kümmern. Löblich. Anerkennenswert. Respekt dafür. Nichtdestotrotz die Frage: Kann es ein Microsoft „nach“ Bill Gates geben?Und wenn ja, wie wird es aussehen? Oder, um die Headline dieses Artikels aufzulösen: Wird es selbst nach der zweijährigen Vorbereitungszeit auf diesen Moment möglich sein, einfach „in eine andere Anwendung zu wechseln“ – nichts anderes bedeutet ja der obige Tastaturkürzel unter Windows…?

Soviel scheint jedenfalls klar:  mehr denn je wird MS in den kommenden Jahren der Wind des Marktes ins Gesich blasen. Man kann wohl mit einiger Berechtigung spekulieren, dass dieersten beiden Dekaden dieses immer noch jungen Jahrhunderts von einem sich stetig verschärfenden Kampf zwischen Microsoft und Google um die Vorherrschaft im virtuellen Raum geprägt sein wird. Mit dem Schulterschluss zwischen dem von Redmond umworbenen Yahoo und Google ist eine erste Schlacht bereits verloren gegangen.Und wer weiß, vielleicht tut Bill Gates gut daran, genau jetzt den Ozeanliner zu verlassen. Nur, vermag ein tränenreicher Kapitän Ballmer den schwer beweglichen Pott auf Kurs zu halten, wenn der Lotse von Bord gegangen ist? Selbst mit Unterstützung von Obermaschinist Ray Ozzie – einem erklärten Open Source Ablehner – und Navigator Craig Mundie kommen Zweifel auf eingedenk des lauthals herausposaunten Schönwettergeredes von der Brücke des IT-Riesen.

Irgendwie erinnert das laufende und sich mit dem Yahoo-Deal weiter verschärfende Gefecht zwischen den beiden Goliaths MS und Google wie eine Vorahnung der IT-Götterdämmerung. Die Idee der offenen Plattform vs. die Idee des proprietären Festung. Ein Titanenkampf, aus dem am Ende etwas ganz Unerwartetes entstehen mag. Wo ist David? Oder ist vielleicht Apple der David, der da alert zwischen den stampfenden Beinen der beiden Kontrahenten umherwieselt, ein ums andere Mal die Zwille benutzt, um an unerwarteter Stelle zuzuschlagen? Titanen, das weiß man aus der Geschichte, fallen schwer. Und liegen sie erst einmal am Boden…

Doch Microsoft ist noch lange nicht am Boden. Sondern stapft unbeirrt weiter auf seinem mit Windows und Office gepflasterten Weg. Das unseren Lesern vielleicht bekannte jüngste Interview mit  Craig Mundie, nimmt man es wörtlich, gibt keine Hinweise darauf, dass man in Redmond gewillt wäre, in neuen Bahnen zu denken, innovativen gar. Vielleicht ist das eingedenk der schieren Unternehmensmasse auch gar nicht nötig.Hat sich doch die Strategie des bewusst und ewig Zweiten, der Entrepreneure, die Neuland betreten, einfach mit schierer Marktmacht von der Landkarte der Terra Incognita fegt, durchaus bewährt. So lässt sich die Frage, was denn nun nach Windows kommt, erschreckend einfach beantworten: Windows! Was sonst? Was soll man mit rund 8 Mrd. US$ jährlichem Forschungsbudget denn sonst Vernünftiges anfangen? Und das wiederum kann den abtretenden Bill Gates dann ausgesprochen ruhig schlafen lassen. Sogar, wenn ein Steve Ballmer am Ruder steht, dem man gewiss so einiges vorwerfen kann, ganz sicher ab nicht visionären Wagemut… Doch, es wird spannend sein, zu beobachten, wohin die Titanic der Software steuern wird nach Bill Gates‘ Ausstieg. Spannend und amüsant…

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