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Der Informatikprofessor und der Tod

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Medien, Technologie | 23. April 2008 | 21:41:35 | Dirk Kirchberg

Das Vermächtnis eines Sterbenden: Der unheilbar an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte Informatikprofessor Randy Pausch will mit Botschaften im Netz Menschen zum mutigeren Leben anregen.

Es ist Tradition an Universitäten: Professoren werden zu einer „letzten Vorlesung“ eingeladen. Sie sollen im Hörsaal auftreten, als wäre es das letzte Mal, als sei dieser Vortrag ihr Vermächtnis an die Welt. Auch der Informatikprofessor Randy Pausch von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh wurde zu einer solchen Vorlesung eingeladen. Doch für Pausch war es tatsächlich die letzte Vorlesung: Der 47-Jährige leidet an unheilbarem Bauchspeicheldrüsenkrebs.

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Foto: Pam Panchak/Post-Gazette

Eigentlich müsste er längst tot sein. Denn die Ärzte hatten ihm schon im September 2006 nur noch eine Lebenserwartung von maximal sechs Monaten prognostiziert. Doch Pausch lebt immer noch, intensiver denn je. Er kämpft mit einer besonders aggressiven Chemotherapie gegen den Krebs, der inzwischen auch Leber und Milz befallen hat. Doch selbst eine neue Therapie, die er ausprobieren möchte, wird ihm nur einen kleinen Aufschub verschaffen. Die Zeit, die er der Krankheit abringt, nutzt Pausch, um im Internet sein Lebenswerk zu errichten.

Ein wesentlicher Bestandteil davon ist seine letzte Vorlesung. In dem vollbesetzten Hörsaal lief auch eine Videokamera mit. Eigentlich hatte Pausch den Vortrag nur für seine drei Kinder aufzeichnen wollen, von denen das älteste erst sechs Jahre alt ist, und für einige Freunde. Auf Umwegen landete das Video aber im Netz. Inzwischen haben mehr als zehn Millionen Menschen sich den anrührenden und inspirierenden Vortrag mit dem Titel „Deine Kindheitsträume wirklich erreichen“ angeschaut. Und viele von ihnen besuchen regelmäßig Pauschs Internetseite, auf der er fast täglich über den Verlauf seiner Krankheit berichtet. Sie schauen Pausch beim öffentlichen Sterben zu. Mit Voyeurismus hat das jedoch nichts zu tun. Denn Pausch inszeniert sein Sterben, um andere zu einem bewussteren Leben zu animieren.

Randy Pauschs Last Lecture

„Wenn du ein gutes Leben führst, werden deine Träume zu dir kommen. Lass dich nicht von den immer wieder auftauchenden Mauern aufhalten. Diese Mauern sind dazu da, damit wir beweisen können, wie sehr wir etwas wollen“, empfiehlt er seinen Zuhörern. Er turnt auf der Bühne, macht Liegestütze, um zu beweisen, wie fit er körperlich ist – „besser als die meisten im Publikum“, scherzt Pausch. Es ist dieser schwarze Humor, der auch die Einträge auf seiner Internetseite auszeichnet. Und der Pauschs Lebensweisheiten auf dem schmalen Grat zum Kitsch wandeln lässt, ohne dass sie abstürzen.

Es sind nicht nur die Weisheiten, deretwegen die Besucher auf Pauschs Netzseite kommen. Es ist auch die optimistische Haltung des Todkranken. „Vielleicht spricht es die Leute an, dass ich recht altmodische Lebenstipps in einer nicht altmodischen Weise gebe.“ Pausch ermutigt die Menschen, ihre Träume zu leben.

Er selbst hat in seinem Leben viel erreicht. Er ist Professor für Informatik, Mensch-Computer-Interaktion und Design, entwickelte eine objektorientierte Programmiersprache namens Alice, mit der Kinder spielerisch Programmieren lernen. Und er hat sich seine Träume aus Kindertagen erfüllt: Er hat Schwerelosigkeit erlebt, hat mit einem NFL-Team trainiert und Disney-Abenteuerparks mitgestaltet.

Pauschs Rede vor dem US-Kongress

Im März sprach Pausch vor dem US-Kongress und warb um Investitionen für die Erforschung von Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Das Problem ist, dass wir für diese Krankheit kein prominentes Gesicht haben, das Aufmerksamkeit erreicht wie etwa Michael J. Fox für Parkinson. Die Menschen sterben einfach zu schnell.“ Pausch indes scheint auf dem besten Wege, selbst zu einem prominenten Gesicht zu werden. Nicht nur im Internet: Diesen Monat erscheint sein Vortrag als Buch, mit dem Pausch auch die Krebsforschung voranzutreiben versucht.

Weitere Informationen

Pauschs Last Lecture sowie sein Vortrag über Zeitmanagement können über iTunes geladen werden.

Die englische Ausgabe kann signiert für 100 US-Dollar bei PanCAN bestellt werden (Ist derzeit vergriffen, soll aber in den nächsten Tagen wieder lieferbar sein.) Der Käufer unterstützt auf diesem Wege gleichzeitig die Krebsforschung.

Ein Transkript der Last Lecture gibt es als deutsches und englisches PDF.

Ebenfalls sehr sehenswert: Randy Pauschs Vortrag über Zeitmanagement

Diane Sawyers einstündiges Pausch-Portrait

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Eine Antwort zu “Der Informatikprofessor und der Tod”

  1. 29. April 2008 um 15:55:45 | Frank sagt:

    Ja, die Last Lecture von ihm fand ich wirklich beeindruckend und rührend.