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Archiv für 06. Oktober 2007

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Betrachtungen eines Kaufhausbesuchers

Veröffentlicht in Gesellschaft | 06. Oktober 2007 | 13:48:33 | Dirk Kirchberg

Immer wieder jammern die großen Kaufhäuser, ihnen würden die Kunden ausgehen. Diese würden viel lieber in riesige Malls am Stadtrand fahren, wenn sie nicht gleich alles, was sie brauchen, über das Internet bestellen. Woran das liegt? Vielleicht sollten die Damen und Herren Jammerlappen einfach mal wochentags kurz nach 18 Uhr ihre eigenen Kaufhäuser besuchen und versuchen, einen so genannten Fachverkäufer zu finden.

Vor ein paar Tagen hatte ich in einem PR-Machwerk, das sich Magazin nennt, eine Anzeige eines großen hannoverschen Kaufhauses entdeckt, das sich damit rühmte, gerade erst die hauseigene Golfabteilung auf 255 Quadratmeter erweitert zu haben. Und der Geschäftsführer klotzte: „Golf ist eine Stärke unseres Hauses.“

Da ich dieser Tage mit dem Spiel rund um den mickrigen weißen Ball (wieder) begonnen habe, wollte ich mir mal die ganzen Gimmicks anschauen, von denen viele Golfer glauben, sie bräuchten sie unbedingt, um ihr Spiel zu verbessern.

Und so stand ich vorgestern Abend in jener auf 255 Quadratmetern erweiterten Golf-Abteilung und fühlte mich, so wie sich Cowboys vor 100 Jahren in der Prärie gefühlt haben müssen: Allein, sehr allein – denn weit und breit war kein Verkäufer zu entdecken.

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Nach einer grob geschätzten Viertelstunde, in denen ich mich über Ballsammelröhren und batteriebetriebene Caddies sowie Plastikarmbänder allergenfreie Silikonarmbänder, die laut Hersteller in einem aufwendigen Prozess mit karbonisiertem Titan, Turmalin und Keramik angereicht wurden und nun die Balance des körpereigenen Ionen-Haushalts regulieren sollen, amüsierte, fragte mich die für die Golfbekleidung zuständige Dame, ob sie mir denn helfen könne.

Ich erläuterte ihr, dass ich mich nach Eisensätzen für Linkshänder erkundigen wolle, worauf sie sofort einwarf, sie kenne sich nicht aus und der Kollege aus der Schlägerabteilung habe auch schon Feierabend gemacht. Sie wolle aber mal schauen, ob sie noch jemanden finde, der mir helfen könne.

Sprach’s und verschwand für weitere 10 Minuten.

Ein sehr erschöpft aussehender Verkäufer kam endlich gemächlichen Schrittes auf mich zu, stellte sich als Abteilungsleiter vor, klagte mir sein Leid, dass ein Mitarbeiter krank sei, ein weiterer im Urlaub und der zuständige bereits nach Hause gegangen, und er selbst habe gar keine Ahnung von Golf. Ich möge doch dieser Tage wiederkommen.

Ein ähnliches Szenario wurde von meiner Freundin auf der Suche nach einer Jogginghose erlebt. Folgender Dialog entfaltete sich:

Verkäuferin: „Wofür brauchen Sie die Hose denn?“
Suchende: „Für’s Joggen.“
Verkäuferin: „Also so richtig laufen?“
Suchende: „Genau, für’s Laufen.“
Verkäuferin: „Dann sind Sie hier falsch. Hier ist der Fitness-Bereich. Sie müssen ins Erdgeschoss zu den Fußball- und Basketballsachen. Da gibt’s auch Jogginghosen.“

Und die Moral von der Geschicht‘? Fachverkäufer gibt es nicht!

Was so natürlich nicht ganz stimmt. Es gibt sie nur nicht mehr in diesen überproportionierten Megakaufhäusern, die vom krokodilledernen Taschenkalender über den Hackblock aus kanadischer Eiche bis zur Multifunktions-Golfsocke alles bereithalten – nur eben keine Fachverkäufer, und das schon gar nicht nach 18 Uhr!

Ich gehe mittlerweile immer lieber und häufiger in die kleinen Spezialgeschäfte, die mir vielleicht nicht den günstigsten Preis machen können, mich dafür aber wirklich beraten. Denn letztlich sind wir doch alle nur Suchende, die auch mal endlich etwas finden wollen…

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