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Painter X – die eierlegende grafische Wollmilchsau?

Veröffentlicht in Apple & Co | 08. November 2008 | 21:50:26 | Gila Müller

COREL Painter X. Das ultimative Programm für alle Illustratoren – von gebrauchsgrafischen bis künstlerischen – liegt mittlerweile in der zehnten Version vor. Seit Version 8 wird diese so geniale wie wenig verbreitete Software bereits von dem kanadischen Softwarehaus COREL entwickelt. Entgegen meiner anfänglichen Skepsis, was das Fortbestehen dieser sehr speziellen App betrifft, haben sich die Dinge durchaus erfreulich entwickelt, obwohl Painter für COREL sicher kein großer Umsatzbringer ist. Zur Erinnerung: Painter ist seit Version 3 bei mir im Einsatz und aus meinem Illustratoren-Alltag gar nicht mehr weg zu denken. Insofern liegt es nahe, die neueste Version einer kritischen Betrachtung zu unterziehen…

Die aktuelle Version von Painter X wartet mit einer Reihe von Innovationen und Verbesserungen auf, von denen nicht nur Illustratoren, sondern mittlerweile auch Fotografen profitieren können. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil die Benutzeroberfläche noch stärker an jene der Adobe-Produkte angepasst wurde. Das etwas befremdliche Gefühl, das Painter-Newbies bei früheren Versionen oftmals beschlichen hat angesichts des über lange Jahre hinweg ungewohnten Looks und der etwas sperrigen Organisation der GUI, gehört nun hoffentlich der Vergangenheit an.


Aber auch die Kompatibilität mit anderen Apps aus dem Hause Adobe, wie z. B.  Photoshop ist noch weiter optimiert worden. Was die Vermutung nahe legt, dass unter den Painter-Anwendern die Anzahl der Mac-User zu genommen hat. bzw. immer mehr Switcher darunter sind. In der Vergangenheit wurde die App für die Mac-Plattform stets mit zeitlichem Versatz auf den Markt gebracht.

Damit beim Leser nicht zu schnell Langeweile aufkommt, möchte ich in diesem Erfahrungsbericht auf die meiner Meinung nach interessantesten und in anderen Reviews vielleicht weniger herausgestellten Features eingehen.

Ergänzung statt Konkurrenz

Painter richtet sich in erster Linie an Illustratoren, Maler und Fotografen bzw. Bildbearbeiter und setzt ein stattliches Mindestmaß an Grafik-Know-how voraus. Insofern ist Painter weniger denn je eine Konkurrenz zu Photoshop als vielmehr eine je nach Einsatzzweck sinnvolle Ergänzung. Hiervon ausgehend stehen dann auch die Malwerkzeuge im Fokus der Optimierung. Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass es auf diesem Gebiet noch großartigen Optimierungsbedarf gibt. Aber sobald man beispielsweise die  „Realistischen Borstenpinsel“ mal in die Hand genommen hat – natürlich nicht in die Hand, sondern dem Wacom ArtPen/Stylus „befohlen“ hat – revidiert man dieses Vorurteil recht schnell.

Es zeigt sich sehr deutlich, dass die digitale Simulation und Gefühlsechtheit der Tools der Realität schon sehr, sehr nahe kommt.

Verführerische Vielfalt

Einmal mehr sind die Optionen zur Modifikation der einzelnen Pinselvarianten schier grenzenlos. Zum Glück lassen sich die favorisierten Varianten problemlos als Voreinstellung sichern. Das ist auch gut so, denn man könnte fast den ganzen Tag damit zu bringen, immer wieder mit der Parameter-Palette herum zu spielen und neue Einstellungen aus zu probieren. Am einfachsten ist es wohl, sich einige favorisierte Varianten in einer individuellen Bibliothek zu sichern, in etwa vergleichbar mit den Pinselvorgaben bei Photoshop.



Illustrieren mit Sicherheitsgurt

Zwei neue Hilfsmittel bei Entwurf bzw. Komposition und der Erstellung einer Illustration oder der Bearbeitung eines Fotos sind die Funktionen „Goldener Schnitt“ und „Layout Raster“. Beide sind über eine Ausklapp-Palette zugänglich und mit Parameter-Dialog versehen. Der Goldene Schnitt wird wohl von künstlerisch orientierten Illustratoren in Anspruch genommen werden, während das Layout Raster eher an die Fotografen adressiert ist. Es sind nicht unbedingt Funktionen, die ich persönlich dringend brauche, aber sie können schon recht hilfreich sein, wenn man sich hinsichtlich des Bildaufbaus ein wenig unsicher fühlt.



Malen wie von Geisterhand

Gerade für diejenigen unter den Painter-Usern, die noch nicht so vertraut sind mit dem Umgang von Stylus und Grafiktablett, hat COREL eine neue Pinsel- Kategorie geschaffen, die sogenannten „Intelligenten Pinsel“. Klingt ein wenig anmaßend, hat es aber faustdick zwischen den Borsten. Von der Funktionsweise her sind sie den Klonerpinseln sehr ähnlich, bieten allerdings im Vergleich dazu weniger Varianten. Ihr großer Vorteil ist es jedoch, dass man sie mit dem neuen Feature „Automatisch Malen“ koppeln kann: Hat man die Parameter in der Dialog-Palette erst mal eingestellt, wird nur noch der Start-Button gedrückt und das Bild oder ausgewählte Bereiche daraus werden wie von Geisterhand im vorher gewählten Stil erstellt. Dabei lässt sich dieser Vorgang jederzeit stoppen und die Parameter wieder verändern. Im Grunde genommen sind die intelligenten Pinsel also eine Art Filterfunktion, vergleichbar mit den Malfiltern in Photoshop. Der große Unterschied liegt aber darin, dass man die Parameter für die bestehenden Filter innerhalb von Photoshop nur sehr eingeschränkt kontrollieren kann. Es sei denn man ist des Programmierens kundig und schreibt die zusätzlichen Modifikationen selbst. (Filter darf nicht zu Folter werden).

Hochzeitsfotografie mal anders

Anders als hierzulande macht in den USA die Hochzeitsfotografie einen wesentlichen Teil des Profifotografengeschäfts aus. Vielleicht ist dies der Grund, warum Corel der kontrollierten Umwandlung von Digitalfotos in „Gemälde“ so großen Raum gibt? Denn es gibt eine weitere Innovation, die diesen Bereich betrifft: das Ausklapp-Menu „Malgrund“ mit den Optionen „Farbmodell“ und „Fotooptimierung“.

Die Funktion ist denkbar einfach: Man wählt Farbmodell und Farbstimmung als Referenz aus und das Bild entsteht dann z.B. in impressionistischem, in zeitgemäß kontrastreichem Farbstil etc. Darüber hinaus lässt sich jedes beliebige Bild als Referenz für den Farbraum laden. Aber allein mit den intelligenten Pinseln lässt sich ein einfaches Foto bereits in kürzester Zeit in ein „künstlerisches Gemälde“ umwandeln, das analoge Werkzeuge erstaunlich gut simuliert*. Was dann vorher/nachher in etwa so aussehen könnte.

*) Die Vignettierung lässt sich in der Ausklapp-Palette „Malgrund“ gleich mit auswählen und individuell anpassen.

Alles  andere wie gehabt

So, das wären aus meiner Sicht die interessantesten Innovationen, die COREL Painter X auszeichnen und zum Teil einzigartig machen. Klar, dass noch weitere neue Features implementiert wurden, auf die ich hier aber nicht näher eingehen werde, da sie von der Funktion her entweder zu speziell oder in vergleichbarer Form aus anderen Anwendungen bekannt sind. Als Beispiel seien nur Nachbelichter und Abwedler erwähnt, die sich in der Werkzeugpalette befinden.

Für das Arbeiten mit Auswahlbereichen und Alpha-Kanälen ist immer noch Photoshop mein bevorzugtes Programm. Diese Funktionen sind in Painter X leider nicht ganz so intuitiv zu verwenden. Das lässt sich jedoch verschmerzen, da sich die beiden Programme perfekt ergänzen und ohnehin meistens simultan im Einsatz sind – zumindest bei mir.

Endlich: ein richtiges Handbuch!

Painter X ist ein äußerst komplexes Programm. Um so erfreulicher finde ich es deshalb, dass COREL sich endlich wieder dazu durchringen konnte, ein Handbuch in gedruckter Version anzubieten. Das hatte man sich bei den beiden vorangegangenen Versionen leider gespart. Hoffen wir mal, dass dieses Beispiel Schule macht.

Fazit: Ein formidabler Ressourcenfresser!

Echte Kritikpunkte kann ich eigentlich keine erkennen. Jedenfalls keine, die in direktem Zusammenhang mit dem Programm stehen. Das einzig Störende bei der Arbeit mit COREL Painter X kann höchstens die CPU des aktuellen Rechners sein. Die App ist beim Einsatz bestimmter Tools – z. B. der besagten Intelligenten Pinsel im Klon-Modus – ein wahrer Ressourcenfresser. Und intuitives Arbeiten ist dann mangels Rechner-Performance nur eingeschränkt möglich. Es ist mir schon lange nicht mehr passiert, dass auf meinem guten alten (und demnächst zu ersetzenden) G5 Dual 2 GHz PowerMac Malstriche sich nicht in Echtzeit auftragen lassen, sondern nur mit zeitlicher Verzögerung.

Auch wenn von COREL als Mindestanforderung Mac OS 10.3.9 angegeben wird und angeblich ein mindestens 700 MHz schneller G4 oder G5 PowerMac oder Intel MacPro mit empfohlenen mindestens 512 MB RAM genügen soll, muss man dies als illusorisch abtun. Die aktuelle Version benötigt meines Erachtens die schnellste Hardware, die sie kriegen kann. Während ein Dual Core G5 die Unterkante des Sinnvollen darstellt, ein Intel Core Duo iMac gerade so ausreicht, sollte wenn möglich den neuesten Quad Core oder Octo Core Intel Xeon MacPros der Vorzug gegeben werden! Und beim Arbeitsspeicher gilt: je mehr desto besser. Das Minimum sehe ich bei 4 GB RAM, eingedenk der Tatsache, dass oft Painter und Photoshop parallel benutzt werden. Ach ja: Ein Grafiktablett ist natürlich absolute Pflicht wie schon bei den Vorgängerversionen von Painter.

Abschließend noch ein paar Tipps…

Wer sich noch eingehender informieren möchte, wie die Umwandlung von Fotos in Gemälde funktioniert, dem seien die Tutorial-Videos von Karen Sperling empfohlen (wenn auch auf Windows Basis), die auf der HP von COREL vorgestellt werden.

Zusätzlich kann man sich hier eine Trial Version von Painter X herunterladen und der eigene Kreativität erst einmal freien Lauf lassen. Der Einsatz eines Grafiktabletts ist dabei jedoch unerlässlich, um das Programm in vollem Umfang nutzen zu können. Es muss ja nicht die A4-Größe sein, A5 tut es auch und ist zudem preiswerter.

Und wer viel unterwegs ist, der kann durchaus als Alternative zum Wacom das Modbook von Axiotron ins Augefassen, das ich ja im Januar 2008 auf der MacWorld bereits angetestet hatte. Ein billiges Vergnügen ist das allerdings nicht…

(Gila Mueller, Illustrator, Software-Reviews Café Digital)

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5 Antworten zu “Painter X – die eierlegende grafische Wollmilchsau?”

  1. 09. November 2008 um 12:49:04 | miro sagt:

    Hallo Gila,
    hier ist noch ein kleiner Tippfehler drin (i statt u):


    ist Painter weniger denn je eine Konkirrenz zu Photoshop

    Gruß
    miro

  2. 10. November 2008 um 16:40:44 | Gila Mueller sagt:

    Hallo Miro,

    Danke für Deinen Hinweis und Tipp(zum)Fehler.
    Ist bereits korrigiert.

    liebe Grüße,
    Gila

  3. 04. Februar 2009 um 23:06:52 | Agnes sagt:

    Hallo Gila, ich (gelernte Malerin/Zeichnerin) hab mir PainterX mit den höchsten Erwartungen gekauft und bin bis jetzt eher enttäuscht: die intuitive Arbeit (G5, Wacom, 7GB Arbeitsspeicher, …) ist sehr oft schwierig oder sogar gar nicht möglich. Ich dachte, ich werde, wie oben geschrieben, das Program „nicht mehr wegdenken“ können und „ständig im Einsatz“ haben, leider die Arbeit mit Painter wird zu einer grausamen Geduldsprobe. Ich betrachte ganz neidisch die wunderschönen (ok, sogar die ganz schlechten) Bilder diverser Vorzeigekünstler und frage mich, wie sie das gemacht haben? Ich verwende schon seit 10 Jahren Illustrator, Photoshop und habe mit PainterX gehofft das fehlende Malwerkzeug zu finden, ich schaffe es aber nicht die einfachsten Methoden wie Mosaik anzuwenden, weil der (Wacom)Stift gar nicht richtig mit dem Painter funktionieren will: die Striche kommen oder nicht, oder kommen doch, aber falsch. Meine Absichten werden völlig ignoriert. Ich muss schauen, ob ich ein Painterforum finde, in dem solche Probleme besprochen werden. Gruß Agnes

  4. 08. Februar 2009 um 16:39:59 | Gila Mueller sagt:

    Hallo Agnes,

    Ja, das kann in der Tat zu Beginn etwas frustrierend sein. Painter ist eben nicht mit allen anderen Programmen, die man gewohnt ist, zu vergleichen. Und wenn man es als Newbie einsetzt, ist die Lernkurve doch recht flach. Auch mir ist es damals so ergangen (Painter3) und zu diesem Zeitpunkt hatte das Programm noch nicht die Komplexität, die es mittlerweile erreicht hat. Aber lass Dich nicht abschrecken von irgendwelchen tollen Illus, die andere User ins Netz stellen. Es steht selten dabei wieviel Zeit dafür investiert wurde. Die haben das sicher auch nicht in ein paar Minuten erstellt. Das Problem mit den Fehlfunktionen des Stylus hatte ich auch schon mal bei älteren Versionen von Painter und es ist meistens auf mangelnde Performance (RAM oder auch CPU des Rechners) zurück zu führen. Bestimmte Funktionen in PainterX brauchen ordentlich viel Speicher, wenn sie flüssig, d.h. intuitiv funktionieren sollen. Speziell die Mosaikfunktion ist nicht für Anfänger geeignet und per se eine Funktion, die ohne adäquate Instruktionen nicht ordentlich eingesetzt werden kann. Was das Painterforum betrifft, so habe ich die Erfahrung gemacht, dass es im deutschsprachigen Raum extrem wenige Foren gibt, die halbwegs nutzbar sind.
    Ich habe mich dann bei akutem Bedarf in amerikanischen/englischen Foren umgehört. Auch dies hatte nicht immer geholfen. Ich denke aber, dass Painter mittlerweile noch mehr User dazu gewonnen hat und der Austausch von Erfahrungen in Foren somit ebenfalls intensiver geworden ist.

    Liebe Grüße,
    Gila

  5. 16. Mai 2009 um 21:01:01 | visualisierte | media design - Weblog about the life of a digital media designer : links for 2009-05-16 sagt:

    […] Cafe Digital» Blogarchiv » Painter X – die eierlegende grafische Wollmilchsau? COREL Painter X. Das ultimative Programm für alle Illustratoren – von gebrauchsgrafischen bis künstlerischen – liegt mittlerweile in der zehnten Version vor. Seit Version 8 wird diese so geniale wie wenig verbreitete Software bereits von dem kanadischen Softwarehaus COREL entwickelt. Entgegen meiner anfänglichen Skepsis, was das Fortbestehen dieser sehr speziellen App betrifft, haben sich die Dinge durchaus erfreulich entwickelt, obwohl Painter für COREL sicher kein großer Umsatzbringer ist. Zur Erinnerung: Painter ist seit Version 3 bei mir im Einsatz und aus meinem Illustratoren-Alltag gar nicht mehr weg zu denken. Insofern liegt es nahe, die neueste Version einer kritischen Betrachtung zu unterziehen… (tags: PAINTER corel illustration illustrator photoshop grafik graphicdesign grafikdesign grafiktablet goldener schnitt golden section) […]