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Kenwood L-07D – der Analog-Saurier

Veröffentlicht in Gadgets, Genuss, Musik, Technologie | 04. April 2013 | 17:22:40 | Roland Müller

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Zugegeben, es ist Wahnsinn! Wahnsinn, von einem Audiophilen aus Großbritannien eines der absoluten Monster der analogen HiFi-Ära zu erstehen. 34 kg Lebendgewicht, einer der besten, wenn nicht der beste Direkttriebler aller Zeiten. Komplett mit dem gleichermaßen legendären Tonarm L-07J. Nun heißt unser nettes, kleines Online-Magazin ja nicht von ungefähr Café Digital und schmückt sich mit der Unterzeile „Magazin für analoges Leben und digitales Arbeiten“. Nun, genau darum soll es beim anschließenden ersten Erfahrungsbericht des Kenwood L-07D gehen…

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Wer sich ein wenig mit der zeitgenössischen HiFi- und Musikszene beschäftigt und nicht von 5.1 Surround Sound, CD und Blue Ray Disk und dem allerorten gehypten Heimkino einlullen lässt, dem mag aufgefallen sein, dass seit geraumer Zeit hochwertige Musikproduktionen ihre Werke neben CD oder SACD auch wieder auf Vinyl pressen. Auf ein – Überraschung! – analoges Medium also. Wie das? Wo die digitale Klangerzeugung doch angeblich so überlegen ist? Im Zuge dessen werden auch immer mehr Plattenspieler respektive Analoglaufwerke und Tonarme hergestellt. In Preiskategorien von etwa 800 € bis, naja, oben offen. Die illustre Runde der Anbieter, meist kleine Highend-Manufakturen, reicht dabei von Project über Transrotor bis Kuzma oder VPI. Bei anspruchsvollen Ohren kommen da für Laufwerk, Tonarm und Tonabnehmersystem schnell Beträge zusammen, mit denen sich auch ein flotter Kleinwagen anschaffen ließe. Da muten die Beträge, die man für einen Saurier des Analogzeitalters wie den Technics SP-10 Mk II oder den hier vorgestellten Kenwood L-07D geradezu bescheiden an. Sofern man überhaupt eines dieser überaus raren Teile ergattern kann. Denn selten sind sie, die Dinos jener Ära. Weil, wenn man sie einmal in einer guten Kette gehört hat, nicht mehr aus den Händen geben mag. Dazu kommt die Haptik und die Materialverschwendung einer Zeit, als Entwicklungsingenieure noch ein unbegrenztes Budget bewilligt bekamen, um ein Statement des technisch Machbaren abzuliefern.

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Womit sich nun die Frage stellt: Wie klingt so ein Monster? Falsche Frage! Denn es klingt überhaupt nicht. Genau das ist der Sinn einer derartigen Materialschlacht! Ein Laufwerk dieser Kategorie, kombiniert mit dem optimal passenden Tonarm und einem harmonierenden Tonabnehmersystem reicht lediglich die in der Rille der Vinylplatte vorgefundene Information unverändert an Verstärker und Lautsprecher weiter. Nicht mehr und nicht weniger. Bei einer guten, gar einer herausragenden Pressung kommt das Ergebnis einer Offenbarung gleich. Perfekte Positionierung von Instrumenten im Raum, eine weite und tiefe Bühne, „Schwärze“ dort, wo zwischen den Noten Pausen sind. Ein fast holografisches Abbild der Aufnahmesituation. Im Guten wie im Bösen natürlich. Dort, wo der Toningenieur gepatzt hat, tritt es überdeutlich zutage. Die kleinen Tricks der Studiozauberer inklusive. Bei Spitzenaufnahmen aus der goldenen Ära der Schallplatte, also etwa von den mittleren 50iger bis in die späten 60iger Jahre, verschlägt es einem leicht die Sprache. Ich empfehle alte Decca oder London ffss Aufnahmen, alte EMI oder Polydor und natürlich die berühmten RCA Living Stereo. Von vielen dieser damals Maßstäbe setzenden Plattenlabel sind mittlerweile Nachpressungen ihrer berühmtesten Einspielungen auf hochwertigem 180-gr-Vinyl erhältlich. Auch die Suche nach Direktschnitten (Original Master Recordings) von MFSL z. B. lohnt sich, ebenso Jazzaufnahmen des japanischen Labels Three Blind Mice oder solche von Opus 3. Nicht zu vergessen das deutsche Label ECM, das sich hierzulande um den Jazz mehr als verdient gemacht hat. Ja, all dies ist adäquate Software für einen Analog-Saurier wie den L-07D von Kenwood. Oder vergleichbare Schwergewichte. Wenn man Ohren hat zu hören, natürlich. Und die Unterschiede zu erkennen vermag zwischen analogen Produktionen und digitalen, zwischen Vinyl und CD, ganz zu schweigen von MP3-Dateien. Unterschiede, die meiner persönlichen Erfahrung nach gravierend sind, vorsichtig ausgedrückt und belegen, dass das menschliche Ohr nach wie vor jedem elektroakustischen Messinstrument überlegen ist. Musik, so ist das nun mal, entsteht im Kopf und entzieht sich in ihrem „Flow“ dem, was Mikrofone, Spectrumanalyser und Messgeräte wahrzunehmen in der Lage sind. Zum Glück? Ja, vielleicht. Denn auch das Glück ist und bleibt analog…

Wer nicht abgeneigt ist, sich ein wenig intensiver mit der Analog-Ära und dem analogen Musikhören zu beschäftigen, dem sei ein Besuch auf der deutschen Homepage der Analogue Audio Association AAA empfohlen.

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6 Antworten zu “Kenwood L-07D – der Analog-Saurier”

  1. 23. April 2013 um 21:00:56 | Willi Schmitte sagt:

    Hallo, ich besitze diesen Kenwood Plattenspieler. Ich habe ihn 2012 zu einem Preis von 4500.- Euro gekauft. Der Plattenspieler war in einem absolut neuwertigen Zustand. Montiert habe ich ein Lyra Delos, passt hervorragend zum Arm. Benz L2 babe ich auf dem 2. Tonarm, SME 3009/3 montiert. Für kein Geld der Welt würde ich diesen Plattenspieler wieder hergeben. Hatte vorher einen Nothingham ACE Space, ist kein Vergleich. Betreibe den Plattenspieler über eine Musical Fidelity M1 Vinyl Vorstufe,
    Mcintosh Röhrenvorverstärker, Mcintosh 601 Enstufen, B&W 803 Diament Lautsprecher. Zu empfehlen ist die Schallplatte von Jun Fukamachi at Steinway, Janis Joplin/fulltilt boogie. Neue Pressungen machen dann den hörbaren Unterschied zu allen CD Arten. Mit viel Hörgenuss, Wilhelm Schmitte

  2. 11. September 2013 um 09:43:43 | Turbo sagt:

    Hallo zusammen !
    Ich habe noch so ein analoges Monster , und möchte es verkaufen .
    Leider ist mir beim Umzug der Tonabnehmer ( Nadel ) abgebrochen .
    Nicht der Tonarm , der ist Super OK.
    Nadel für den Boliden gibt es bei Amazon .
    Hat jemand Interesse ?

  3. 23. September 2013 um 09:06:06 | Roland Müller sagt:

    Hallo Turbo,

    ich gebe Dir einen heißen Tipp: Werde Mitglied in der entsprechenden Yahoo-Gruppe KenwoodL-07D@yahoogroups.com – dort findest Du mit Sicherheit kaufwillige Interessenten. Ansonsten kannst Du auch über das entsprechende Forum der AAA gehen. Der deutsche Ableger der Analogue Audio Association bietet neben allerlei Diskussionsforen auch eine Biete und Suche Rubrik für derlei Analogschätze. Good Luck!

  4. 21. Oktober 2013 um 18:23:22 | Turbo sagt:

    Hallo Roland
    Habe deine Antwort jetzt erst gelesen .
    Ganz lieben Dank dafür , werde deinen Rat befolgen .
    Gruß Turbo

  5. 14. Dezember 2013 um 13:35:11 | Turro sagt:

    Hallo Turbo,

    hast Du mittlerweile Deinen Kenwood L07d verkauft?
    Wenn nein ich hätte großes Interesse.

    Bin mir aber nicht sicher wie man über diese Seite überhaupt miteinander in Kontakt treten kann (z.B ob die Mail-Adresse übermittelt wird)?

    Gruß
    Turro

  6. 18. Juni 2014 um 15:22:41 | Frank Held sagt:

    Hallo Turbo. Hast Du den Kenwood L07d noch? Ich suche ein solches Laufwerk. Ich habe kürzlich meinen Sony PS-X9 verkauft und habe Entzugserscheinungen 😉
    LG Frank