Erster Fachbesuchertag. Wir machen uns auf den Weg zu unserer nunmehr 5. Buchmesse, über die wir im digitalen Café Bericht erstatten. Immerhin. Und natürlich hoffen wir wieder, dass unsere geneigten Leser es goutieren, wenn wir ihnen als Auge und Ohr auf diesem Weltjahrmarkt der literarischen Eitelkeiten dienen. Diesmal, so viel steht jetzt schon fest, werden wir mehr Lesetipps liefern als in den vergangenen Jahren. Und nicht immer werden diese Tipps mit den gängigen Bestsellerlisten kompatibel sein. Eigentlich sogar so gut wie nie. Lol. Auf geht’s!
Unser Besuch beginnt wie immer: mit einem Gewimmel lese- und literaturbegeisterter
Besucher. Auch wenn am ersten offiziellen Messetag der Trubel zum Glück noch
überschaubar ist und die Entspanntheit an den Ständen der Verlage entsprechend
groß. Wir wissen, dass sich das gegen Ende des Messemarathons deutlich geändert
haben wird.
Die ersten Videoteams haben bereits Stellung bezogen. Hier am Stand des Kochbuch-
giganten Gräfe + Unzer. Wahrscheinlich soll wieder einer der Sterneköche auftreten
und promotet werden. Naja, wer kann schon von Gastronomie alleine überleben…
Wir schlendern durch Halle 3.0 und stöbern ein wenig am Stand eines unserer
Lieblingsverlage, Diogenes.
Ein paar Meter weiter amüsieren wir uns über die gewollten oder ungewollten
Treppenwitze der Verlagspräsentationen. Ken Follett meets Lothar Matthäus – zwei
Titanen des Wortes treffen aufeinander, ähem…
Im Vorfeld der Messe heftig und ambivalent dikutiert, Joanne K. Rowlings mutiger
oder tollkühner Genrewechsel nach dem Millionenspektakel um Harry Potter.
Wird ihr neues Werk „Ein plötzlicher Todesfall“ zu ihrem eigenen literarischen
Todesfall – bedenkt man die medial hochgeschraubten Erwartungen des Marktes?
Der Spiegel hat da seine Meinung. Warten wir’s ab.
Was uns bereits an diesem ersten Tag auffällt, ist die explosionsartige Zunahme an
Book-on-demand Anbietern. Verlage wie bod, die Schreibwilligen anbieten, ihre
Manuskripte zu Büchern zu verarbeiten und zu veröffentlichen. Ein Geschäftskonzept,
das sich offenbar etabliert hat. Nun, wenn’s dem Ego dient, darf’s dem Anbieter auch
nützen…
Da halten wir uns vorerst lieber an einen der wirklichen Klassiker, nun (endlich)
neu übersetzt und rundum lesenswert – unser erster Buchmesse-Lesetipp:
Charles Dickens‘ „Große Erwartungen“. erschienen im Carl Hanser Verlag,
München 2011, ISBN 9783446237605. Gebunden, 832 Seiten, 34,90 EUR.
Und ja, wir sind mindestens so begeistert wie Frau Radisch.
Ein paar Stände weiter stoppt uns ein übermannsgroßes Plakat. George R. R. Martins
Fantasy-Saga um den Eisenthron. Was ein wenig reißerisch daher kommt, ist in der
Tat ein Epos in der Gewichtsklasse von Tolkiens Ring-Trilogie. Und nach einem
ersten Anlesen gehen wir sogar so weit, zu behaupten, dass George R. R. Martin
das Vorbild womöglich sogar übertrifft. Auch wenn sich das hierzulande noch nicht
wirklich herumgesprochen hat. Vielleicht weil der Mann mit der mittelalterlichen
Attitüde ausgerechnet ein Amerikaner ist?
Und fleißig ist er allemal: 10 Bände der Saga „Das Lied von Eis und Feuer“ sind
bereits auf Deutsch erschienen und gehören eigentlich in jede gut sortierte Genre-
Bibliothek. Erschienen bei Blanvalet, ursprünglich Bantam, New York 1996. Aus dem
Amerikanischen von Jörg Ingwersen. Paperback, Klappenbroschur, 576 Seiten.
ISBN: 978-3-442-26774-3. Je € 15,00.
Genau, das ist unser zweiter Buchmesse-Lesetipp!
Einen Gang weiter, bei Bertelsmann, treffen wir wie alle Jahre wieder Elke Heidenreich,
ins Gespräch vertieft. Keine Ahnung, was sie mit den Bertelsmännern gerade bespricht.
Erwähnenswert scheint uns aber zu sein, dass sie für Random House Audio eine kleine,
aber feine Auswahl der Erzählungen der neuseeländischen Autorin Katherine Mansfield
gesprochen und auf Audio-CD gebrannt hat: ISBN 978-3-8371-1610-6. ca. 9,99 €.
Weltliteratur und unbedingt hörenswert!
Apropos Weltliteratur. Dankenswerterweise gibt uns Hoffmann und Campe mit seinem
Literaturnetz einen hilfreichen Netzfahrplan, was man denn so als gebildeter
Wohlstandsbürger an Weltliteratur gelesen haben sollte. Hier nochmal
in ganz großer Abbildung zur individuellen Planung der Hausbibliothek.
Wir sind gebührend beeindruckt.
Derweil besuchen wir einen anderen unserer Lieblingsverlage – Hanser – und erfreuen
uns an einem weiteren, dem dritten Buchmesse Lesetipp: „Willkommen auf Skyos“
von Michael Frayn liegt endlich auf Deutsch vor und erschließt uns typisch britisch-
abgründigen Humor. Erschienen im Hanser Verlag, ISBN 978-3-446-23976-0.
17,90 €. Soll mal einer sagen, zum Thema Griechenland gäbe es nichts mehr
zu lachen.
Griechenland, da denkt man unwillkürlich an Sonne und Strand, Grillfeste in der
Abendsonne… Kein Wunder, dass uns im nächsten Gang die Gelegenheit, einen
Luxusgasgrill für die herrschaftliche Terrasse zu gewinnen, entzückt. Naja, nicht
wirklich. Aber auch eine Buchmesse muss ja ihre kleinen Skurrilitäten ausleben,
meist in Form mehr oder weniger origineller Promotions. Das hier ist sicher eine davon.
Bevor uns der Appetit auf Mehr übermannt, gönnen wir uns aber dann doch noch
unseren vierten Buchmesse Lesetipp – eine Story, wie sie schwärzer und
abgründiger kaum sein könnte. In „Der Aufstand der Ungenießbaren“ schildert
uns der geniale Kroate Edo Popović eine nahe Zukunft, wie wir sie uns ganz gewiss
nicht wünschen. Ein klasse Buch! In deutscher Erstausgabe erschienen im
Luchterhand Literaturverlag, Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten,
ISBN: 978-3-630-87357-2. 17,99 €.
Nachdem uns auf dem weiteren Rundgang so langsam mittäglicher Appetit beschleicht,
wollen wir wenigstens auf ein einziges Kochbuch hinweisen, das uns heute beeindruckt
hat. Nein, kein Nebenerwerbs-Machwerk irgendeines Sternekochs, sondern ein echtes
Standardwerk für ambitionierte Hobbyisten mit einem Faible für indische Küche, die
wirkliche indische Küche: „Indien – das Kochbuch“, ursprünglich erschienen im
Phaidon Verlag, hierzulande publiziert vom Edel Verlag, rund 1000 Rezepte auf
815 Seiten, ISBN 9783841901606, 39,95 €
Unseren literarischen Appetit vermag ein Kochbuch natürlich nicht zu stillen. Deshalb
gönnen wir uns als fünften Buchmesse Lesetipp Martin Horvaths österreichisch-
schräges „Mohr im Hemd“. Was dann für kulinarisch Eingeweihte doch wieder
eine Anspielung enthält. Erschienen bei DVA, gebunden mit Schutzumschlag, 352
abgründige Seiten, ISBN: 978-3-421-04547-8. 19,99 €.
Und weil’s so schön österreichisch war, schieben wir gerade noch unseren sechsten
Buchmesse-Lesetipp hinterher: Wolfgang Haas‘ „Verteidigung der
Missionarsstellung“ – was für ein Titel! – ebenfalls bei unserem beliebten
alpenländischen Nachbarn entstanden und ein weiteres Lesevergnügen für alle, die mit
solchem Schmäh etwas anzufangen verstehen.
Nun besteht die Frankfurter Buchmesse natürlich nicht nur aus Belletristik. Insbesondere
am Vorwärts Stand spielt Politik traditionell die große Rolle. Wir lauschen für eine Weile,
was Herausgeber Klaus Schönhoven und Bernd Faulenbach zur Neuerscheinung
„Willy Brandt. Im Zweifel für die Freiheit – Reden zur sozialdemokratischen
und deutschen Geschichte“ Zu sagen haben. Ein wichtiges, aber kein leichtgewichtiges
Stück jüngerer Zeitgeschichte und wohl deshalb auch der FAZ einen Kommentar wert.
Wie wir so dahin schlendern, getrieben vom Zufall und offen für alles, was uns zu Ohren
und Augen kommt, fällt uns ganz am Rande auf, dass die Autoren wohl immer jünger
werden und ganz offensichtlich noch ein wenig mit ihrer plötzlichen Popularität zu
kämpfen haben. zumindest am Stand des Carlsen Verlages. Aber vielleicht ist das ja
nur eine Beobachtung am Rande…
Zumal selbst TV-erfahrene Comedians mitunter ratlos vor den Mikrofonen hocken…
Gar nicht ratlos hingegen war wohl Signore Gianluigi Nuzzi, als er umzugskartonweise
interne Botschaften und Korrespondenzen seiner vorgesetzten Heiligkeit auswertete und
in die geneigte Öffentlichkeit „leakte“. Spannend sind die Inhalte womöglich schon, zeigen
sie doch, dass es im Vatikan zugeht wie in jedem anderen multinationalen Konzern.
Zum Lesetipp reicht’s aber trotzdem nicht.
Auf dem Weg zur Heiligkeit befindet sich ganz offensichtlich auch der viel zu früh
verschiedene Steve Jobs. Wir amüsieren uns als langjährige und immer noch eingefleischte
Apple-User über die Graphic Novel „Steves Welt“ von Caleb Melby, erschienen bei
Hoffmann und Campe, wobei der Originaltitel der US-Ausgabe ‚The Zen of Steve Jobs‘
dem Thema wohl noch angemessener ist.
Und fast hätten wir es vergessen zu erwähnen: Das ist selbstverständlich unser
siebter Buchmesse-Lesetipp!
Soviel Heiligkeit treibt uns dann doch aus der Halle und in die glasklare, kühle Herbstluft
draußen. Dass uns da prompt eine Megawerbung für den neuesten Kinohit „Der Hobbit“
erwartet, nun ja, sei’s drum. Eigentlich zieht es uns viel mehr zu einer ganz anderen
Location…
…Nämlich zu MoschMosch! Unserer bescheidenen Meinung nach die mit Abstand beste
Verpflegungsadresse auf dem Messegelände zu Buchmesse-Zeiten – ein kleiner Ableger
der unter Insidern gerühmten japanische Nudelküche gleichen Namens in der City.
Deshalb unser den heutigen Rundgang abschließender nicht Lese- sondern Genusstipp.
Enjoy!
Wir melden uns dann am Samstag wieder mit dem nächsten umfangreiche Beitrag
von der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Stay tuned!
Tags: Belletristik, Bücher, Buchmesse, Frankfurter Buchmesse 2012, Lesetipps, Literatur, Messereportage
« Frankfurter Buchmesse 2012 – Kiaora! | Frankfurter Buchmesse 2012 – der Tag der Kiwis »