Alle Jahre wieder ist es soweit. Die weltweit größte und ganz gewiss hektischste Buchmesse öffnet ihre Pforten in den Frankfurter Messehallen. Und wie schon in den Vorjahren machen wir wieder unsere Runde. Mit sehr subjektivem Blick streifen wir durch die Gänge, stehen uns die beine in den Bauch und halten fest, was uns erwähnenswert erscheint im Gewühl der Fachbesucher. Bücher, so scheint es, sind unverwüstlich und auch gegenüber der zunehmenden Digitalisierung der Medien bemerkenswert resistent. Stürzen wir uns also mitten hinein in die Flut der Neuerscheinungen 2011…
Wir ersparen uns die Flaggenparade vorm Haupteingang, die Stände der Antiquariate und die Wühlkisten mit CDs und altem Vinyl und treten ein in die bibliophilen Hallen – nun ja, wohl eher in den kommerziellen Bücherjahrmarkt der Eitelkeiten…
Es ist Donnerstagvormittag, gegen 10 Uhr 30. Trotzdem herrscht schon bemerkenswert viel Publikumsverkehr.
Sensibilisiert durch die Geschehnisse der vergangenen Tage, Steve Jobs Tod und den obligatorischen Medienrummel fallen uns natürlich bei Bertelsmann die großformatige und vollmundige Ankündigung der erscheinungsterminlich vorgezogenen Steve Jobs Biografie auf, die ja bekanntlich ganz bedeutende Geheimnisse lüftet. Nicht die erste und sicher auch nicht die letzte ihrer Art. Auch wenn das Ableben des Apple-Mitgründers und Masterminds terminlich gesehen sicher so kurz vor der Buchmesse lag, dass in den einschlägigen Verlagen heftigste Hektik ausgebrochen sein muss…
Beim Redline Verlag gehörte man wohl zu den Schnelleren im Lande. Auch wenn uns hier im digitalen Café ganz gewiss kein Carmine Gallo zu erzählen braucht, was wir von Steve Jobs lernen können 😉
Der Econ Verlag hatte wohl ebenfalls ein irgendwie passendes Manuskript von Dirk Beckmann in der Schublade. Immerhin, es fällt auf, dass plötzlich alle, alle antreten, um sich von Apple erfolgreiches Vermarkten und Wertschöpfen abzuschauen. Schon spaßig irgendwie. Handelt es sich doch oft um die gleichen Autoren, Redakteure und Leser, die vor wenig mehr als einer Dekade die Apfelmarke noch in Bausch und Bogen verdammt hatten.
Aber lassen wir die Toten ruhen und Apple von jetzt an außen vor. Unweit des Econ-Stands stolpern wir über den überaus fleißigen und zugegebenermaßen hoch eloquenten Ulrich Wickert, der unseren ersten heutigen Lesetipp beisteuert:
Unter dem einprägsamen Titel „Redet Geld, schweigt die Welt“ fordert er wortgewaltig wie eh und je ethisches, gesellschaftsdienliches Verhalten von den Unternehmen der Finanzwirtschaft ein. Und er weiß dies wohl zu begründen. Von den zahllosen Neuerscheinungen rund um die Finanzkrise ist dies sicher eines der lesefreundlichsten Bücher zum aktuellen Thema. Erschienen bei Hoffmann und Campe.
Den eigentlichen Reiz der Buchmesse – auch der diesjährigen – machen aber weniger die großen Namen aus, sondern weniger bekannten Künstler, Autoren und Verlage. Wir verweilten deshalb spontan am Stand von Gustavo „Ciruelo“ Cabral, einem argentinischen Illustrator, der berühmt ist für seine mit äußerster Liebe zum Detail ausgearbeiteten Drachen.
Großes Kino, wie Kollege Dirk wohl sagen würde. Und verblüffend, wie in sich gekehrt und ungerührt vom Messetrubel rundum der Mann seinem Handwerk nachging.
An der Längsseite der Halle 3, im Parterre, stießen wir dann, noch trunken von Ciruelos Drachenkunst, auf das Comic Zentrum. Klar, dass wir uns erst einmal die im Ausstellungsbereich gezeigten Original-Cartoons anschauten…
Wie im vergangenen Jahr hingen hier wieder ein paar ziemlich schräge Arbeiten aus, von denen wir hier mangels Raum nur zwei präsentieren möchten:
Diese Arbeit von Dominik Joswig…
Und diese hier von dem offenbar noch websitelosen Daniel Wildemann.
Aber gut. Eigentlich sind wir ja der Bücher wegen hier und mithin verpflichtet, ein paar handfeste Lesetipps zu verbreiten. Auch wenn uns immer wieder mehr oder weniger originelle Marketinggags auf unserem Weg aufhalten wie etwa diese unerklärlichen Mönchskutten, wollen wir unserer Verpflichtung doch nachkommen…
…und greifen ganz tief ins Exotische. Unbedingt lesenswert und deshalb ein Café Digital Lesetipp ist Aravind Adigas „Letzter Mann im Turm“ – der uns tief eintauchen lässt in das ganz normale Leben des heutigen Mumbai. Der bei C.H.Beck erschienene Roman des Booker Prize Gewinners malt mit manchmal allzu klischeehaft kräftigem Pinselstrich ein nichtdestotrotz überzeugendes, oftmals mit ironischen Untertönen versehenes Bild des Alltagslebens in einer der sinnverwirrendsten Megalopolen der Welt. Auch wenn er leider nicht die Klasse seines Erstlingswerks „Der Weiße Tiger“ erreicht!
Wir eilen weiter. Und finden Alfred Neven DuMont, Patriarch der berühmten Verlegerdynastie, der am Stand der Frankfurter Rundschau sein bei Hoffmann und Campe erschienenes neues Buch „Vaters Rückkehr“ vorstellt. Auch das ein klarer Lesetipp. Vorausgesetzt, man steht auf sprachlich anspruchsvolle Abarbeitungen schwieriger Vater-Sohn-Beziehungen.
Aber unsere Lesetipps müssen sich ja nicht immer um tiefschürfende belletristische Werke bemühen. Was uns ausgesprochen gut gefallen hat – insbesondere mir selbst als eher weniger der Ordnung Verpflichteter – war „Kunst aufräumen“ des womöglich etwas durchgeknallten Schweizers Ursus Währli. Erschienen bei Kein und Aber. Ein Traum von einem, mittlerweile sogar mehreren Bilderbüchern, die für die Kunst ungewöhnliche Sichtweisen der Ordnung vermitteln, durchaus nicht ohne einen sehr eigenen, womöglich Schweizer Witz? Und seine Website ist auch recht nett 😉
Gewissermaßen als Kontrastprogramm dazu empfehlen wir eine der sprachgewaltigsten deutschen Autorinnen, Antje Rávic Strubel. Ihr zuzuhören am Stand des Börsenvereins, war ein Genuss. Die Frau beherrscht die deutsche Sprache in all Ihren bildhaften Möglichkeiten.
Zudem liefert sie mit „Sturz der Tage in die Nacht“ einen ausgesprochen komplex gewobenen Roman – erschienen bei Fischer – der eines der letzten Tabuthemen unserer Gesellschaft aufgreift. Und auch in diesem Fall können wir uns der Kritik des FAZ Feuilletons nicht anschließen, weniger noch als im Falle Aravind Adigas. Aber es ist nun mal das Vorrecht der Literaturkritik, subjektiv und mitunter auch einseitig zu bewerten. Unseres Erachtens liegt gerade in der Ambivalenz des Buches und seiner Kritiken der Reiz.
So, für den ersten Buchmessetag sollte das zum Anfüttern genügen. Zudem tun uns jetzt die Füße weh von zahllosen Kilometern Fußmarsch hin und her und auf und ab. Immer wieder genervt von der unerklärlichen Ignoranz der Messeleitung, die bei versehentlichem Verlassen der Messehallen durch das falsche Tor Tageskartenbesitzer vehement daran hindert, die Hallen erneut zu betreten und selbst von Dauerkartenbesitzern erwartet, dass sie sich elektronisch abmelden. Nervig!
Aber wir wollen nicht lamentieren. Sondern uns morgen, im zweiten Teil, mit dem Ehrengast der diesjährigen Buchmesse, Island, beschäftigen. Bis dann!
Tags: Autoren, Belletristik, Bücher, Frankfurter Buchmesse 2011, Literaturzirkus, Messe, Messebesuch, Messerundgang, Verlage
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Das esse ich lieber in Ruhe mein Mango Chutney und freue mich über den Kuß für den Gaumen.
[…] Rundgang durch die bibliophilen Hallen begann diesmal erst am Nachmittag, weil ich bis dahin den Stand des Wikipedia-Schulprojekts im […]