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Schokolade

Nachgedanken und Vorgedanken

Veröffentlicht in Apple & Co | 12. Januar 2009 | 07:01:40 | Roland Müller

Sonntag, 11. Januar 2009, 17 Uhr irgendwas, jedenfalls hier in Mendocino. Zuhause, ein kaltes zumal, vielleicht 6.000 Meilen ostwärts, ist es bereits Montag… Wir haben ein wenig Distanz gefunden zur vorgestern beendeten MWSF09, konnten einiges sacken lassen. Und ziehen in diesem Beitrag so etwas wie ein Fazit…

Bereits am Abend des vorletzten Messetages deutete sich an, dass diese MWSF irgendwie einen Schlusspunkt setzte. Wie bisher fast alle Jahre wieder hatten wir abends das traditionelle Netters Dinner besucht. Jene Veranstaltung, die seit vielen Jahren das Urgestein der Mac-Programmiererszene, gestandene Apple-Mitarbeiter und Software-Freaks bis hin zu Vertretern der Hackerszene versammelt – eben die „aging geeks“ der Mac-Welt.

Eine reichlich abgefahrene Veranstaltung, in deren Mittelpunkt neben dem gemeinsamen Treffen und Essen im Hunan, einem chinesischen Restaurant in der Sansome Street eine ziemlich wildes Geek-Fragespiel mit einer Tombola meist völlig unnützer Gadgets steht.

Doch diesmal machte sich unter den im Vergleich zu früheren Jahren erschreckend wenigen Teilnehmern eine ganz eigenartige Stimmung breit. Eine Mischung aus Trotz und Melancholie.

Sogar Organisator Jon Pugh konnte sich von dieser Stimmung nicht freimachen. Apples Exit von zukünftigen Macworld Expos schien einerseits die altgedienten Mac-Freaks geschockt zu haben. Andererseits war wohl niemand wirklich überrascht.

Ein bisschen fühlte sich sowohl das Netters Dinner als auch Apples neue Marschrichtung an wie das Herauswachsen aus der Unschuld einer Beat Generation ehedem. Der unvergessene Jack Kerouac kommt uns in den Sinn. Apple ist ‚on the road‘ again. Doch diesmal ist die Straße ein breiter Highway, auf dem sich die einstige Nischenmarke längst mit einer Gefolgschaft von 30 Millionen Usern auf der Überholspur bewegt. Und es kann nicht ausbleiben, dass links und rechts des Weges langjährige Beifahrer auf der Strecke bleiben.

Andererseits ist speziell die Branche, in der sich Apple bewegt eine, die in dem Moment am Ende ist, wenn sie zurück blickt, Etwas, was Steve Jobs erklärtermaßen verabscheut. Schauen wir also nach vorne. Etwa auf lifestylige Apple-Tools wie das iPhone, bestückt beispielsweise mit der App G-Maps US West, die uns von San Francisco nach Norden, zu jenem verschwiegenen Ort leitet, wo wir uns mit Freunden aus der Bay Area verabredet haben. Moderne Zeiten? Aber ja. Und die kennen nur eine Richtung: nach vorne. Ob mit uns oder ohne uns, das schert weder die Zeiten noch Apple.

Und so genießen wir eben die wenigen verbliebenen Tage unter kalifornischer Sonne, in Blickweite der grollenden, aus dem fernen Asien heranrollenden Pazifikbrandung und räsonieren über die Zukunft von Apple, blättern in der neuesten Print-Ausgabe der WIRED. Darin ein kurzer Rückblick auf 25 Jahre Apple. Gerade so kurz, wie dies dem kalifornischen Naturell entspricht. Gestern? Uninteressant. Heute? Einen Blick wert. Morgen und übermorgen? Ja, nur das zählt.

Change we can believe in. Irgendwo besteht da durchaus ein Zusammenhang. Der unbedingte Glaube an eine positive Entwicklung, an ein „Alles ist möglich, man muss es nur versuchen*. Dieses aus unserer altweltlichen Sicht oft verbüffend naive sich Nachvorneglauben. Es zeichnet Cupertino ebenso aus die Kalifornien generell und eigentlich ganz Amerika. Damit umzugehen fällt uns gebrannten Kindern und demzufolge Bedenkenträgern zugegebenermaßen schwer. Andererseits… ein klein wenig dieses unbekümmerten Vorwärtsdrangs würde auch uns hin und wieder gut zu Gesicht stehen.

Lassen wir den Dingen also ihren Lauf. Bleiben wir neugierig. Und schauen wir einfach mal, wohin der Zug der Apfelzeit uns führt. Uns führt er jedenfalls übermorgen und abschließend für unseren Aufenthalt in diesem vielleicht ja doch bald erneuerten Amerika in den Apple Company Store in Cupertino…

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4 Antworten zu “Nachgedanken und Vorgedanken”

  1. 12. Januar 2009 um 09:23:47 | Oli T. sagt:

    Sehr schön niedergeschriebene Gedanken! Danke Euch noch mals für die gesamte Berichterstattung, die sich nicht nur auf Technik beschränkt, sondern auch im Wesentlichen die Stimmungen wieder gibt.

  2. 12. Januar 2009 um 17:54:45 | Matthias sagt:

    Liebe Leute,
    das war wieder so nett und schön zusammengestellt, dass man fast das Gefühle hatte auch dabei zu sein. Die tränen dieser letzten Reportage verdrücke ich mir. Nur komisch, dass kein anderes etabliertes Magazine einen solch lebendigen Reportage-Marathon veröffentlicht. Naja, was soll man von der siechenden Presse schon erwarten. Fraglich nur warum die überhaupt da hin fahren, wenn sie am Ende sowieso nur die Ticker und Presseerklärungen abschreiben. Aber, vielleicht waren sie gar nicht da.

    Ich Danke Euch!

    Matthias
    Macguardians

  3. 13. Januar 2009 um 00:29:28 | Bert (bh) sagt:

    hallo matze,
    da sag ich nur „still alive and kicking“ …
    herzliche grüße,
    bert (bh)

  4. 13. Januar 2009 um 23:46:12 | dirk sagt:

    Danke nochmals für die tolle Berichterstattung. Genau die richtige Mischung aus Messeberichten, Hintergründen und Gedanken zu Apple, sowie schönen Reiseeindrücken. Fast so, als wär‘ man selbst dabei 😉