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Schokolade

Hallo Franz? Bist Du’s wirklich?

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Medien, Politik, Technologie | 18. September 2008 | 07:47:06 | Dirk Kirchberg

Einer Sekretärin in Hessen geht’s „hundeelend“: Sie hatte das Gespräch zwischen einem ffn-Moderator und der SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti weitervermittelt, das nun in Teilen im Netz aufgetaucht ist. Wie halten es Politiker mit Anrufen vermeintlich Vertrauter? Fragen an die Parteien.

So kann’s gehen: Das Telefon klingelt, der Chef scheint dran. Natürlich will man ihm sofort kompetent Auskunft geben und fragt nicht nach, ob’s denn auch wirklich der Chef ist – da am Hörer, am anderen Ende der Leitung.

So in etwa ist es der hessischen SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti ergangen. Ein vermeintlicher Franz Müntefering, der designierte SPD-Bundesvorsitzende, sollte am Telefon sein. In Wahrheit war es ein Radiomoderator von ffn, der stimmlich Müntefering nicht einmal besonders ähnelt (und sich im Nachhinein für seine Leistung selbst nur eine „3 minus“ gegeben hat). Der vermeintliche „Müntefering“ also ließ anrufen und wurde sofort zur SPD-Politikerin aus Hessen durchgestellt. Keine Nachfrage, kein Rückruf, offenbar auch keine nachhaltige Skepsis nach einem Blick auf die Telefonanzeige.

Laut ffn telefonierte der Radio-„Franz“ mit der Politikerin sieben Minuten lang. Sie ließ sich anscheinend nicht durch die sporadisch eingeworfenen Floskeln des in die Bundespolitik zurückkehrenden SPD-Veteranen, für den sie den Gesprächspartner hielt, irritieren. Eine Nachfrage in der Art: „Hallo Franz, bist Du es wirklich?“, gab es nach vorliegenden Informationen nicht.

Eine Minute und 44 Sekunden des illegal mitgeschnittenen Gesprächs landeten „irgendwie“ im Internet. Ypsilanti hatte es zuvor auf Nachfrage von ffn nicht zur Veröffentlichung freigegeben. Ihre nachträgliche Zustimmung aber wäre nötig gewesen. Denn nach Paragraph 201 des Strafgesetzbuches ist das Aufzeichnen oder auch nur Abhören von Telefonaten ohne Zustimmung des anderen Gesprächsteilnehmers strafbar. Ebenso macht sich strafbar, wer es veröffentlicht.

Im Internet vervielfältigt sich die Aufzeichnung rapide und ist nun auf zahlreichen Plattformen wie etwa Youtube zu finden. Rund eine halbe Million mal wurde das Gespräch allein dort bisher angehört.

Auf welchem Weg der Gesprächsmitschnitt ins Internet gelangte, ist ffn-Programmdirektorin Ina Tenz nach ihren Angaben nach wie vor ein Rätsel. Ihre Mitarbeiter haben ihr versichert, dass niemand von ihnen die Datei ins Netz gestellt hätte.

Den anschließenden Telefonstreichversuch eines Moderators von Radio Hamburg, der sich ebenfalls als Franz Müntefering vorstellte, entlarvte sie nach den ersten Worten: „Sie klingen ja noch schlechter als unser Müntefering!“

Nun hat die hessische SPD Strafantrag gegen ffn gestellt und will herausfinden, wer erstens den illegalen Mitschnitt in Auftrag gegeben hat und zweitens die Datei ins Internet gestellt hat.

Frank Steibli, Pressesprecher der hessischen SPD, stellte klar, dass der Mitarbeiterin, die das Gespräch durchgestellt hat, kein Vorwurf zu machen sei. Die Dame würde seit rund 25 Jahren jeden Tag bis zu 60 Telefonate durchstellen, und noch nie sei so etwas passiert. „Ihr geht es seit Tagen hundeelend.“

Wichtig war Steibli, dass die Hessen nicht als humorlos dastehen: „Wir Hessen verstehen viel Spaß und lachen gern.“ Er selbst sei auch schon einmal „fast“ Opfer eines Telefonstreichs geworden. Aber hier gehe es nicht um den Telefonstreich, „sondern um die illegale Aufzeichnung und die anschließende nicht genehmigte Publikation“.

Wie sicher sind sich Politiker, dass sie immer mit dem richtigen Gesprächspartner telefonieren? Das wollten wir von den Bundestagsfraktionen wissen und haben nachgefragt.

SPD: „Im Bundestag werden die Rufnummern nicht unterdrückt. Außerdem steht neben der Nummer des Anschlusses zusätzlich auch noch der Name“, sagt Kathrin Zahn, Pressesprecherin der SPD. Außerdem finde gut die Hälfte der Kommunikation zwischen den Abgeordneten untereinander und ihren Wahlkreisen mittlerweile per persönlicher E-Mail statt.

Bündnis 90 / Die Grünen: „Natürlich kann man sich nie hundertprozentig sicher sein“, gibt Pressesprecher Christoph Schmitz zu bedenken, „aber wir kennen uns alle persönlich sehr gut und erkennen uns an der Stimme.“ Wie im ganzen Bundestag wird auch hier im Festnetz die Rufnummer angezeigt, bis hin zur jeweiligen Durchwahl. Handynummern würden nur im engsten Kreis weitergegeben.

Die Linke: Bei den Linken wird nach Angaben eines Sprechers nicht viel telefoniert, da die meiste Kommunikation per E-Mail stattfinde.

FDP: Pressesprecher Christoph Steegmans antwortete gleich per E-Mail: „Am einfachsten und zuverlässigsten ist der Blick auf die ankommende Rufnummer, denn ein Stimmen-Detektor wie beim FBI zählt nun mal nicht zu unserer Büro-Ausstattung.“

Die CDU/CSU rief trotz mehrmaliger Nachfrage überhaupt nicht zurück. Auch ein Weg, möglichen Telefonstreichen aus dem Wege zu gehen.

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