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FBM 2023 – Donnerstag (2/5): Otto gratuliert

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik, Unterhaltung | 19. Oktober 2023 | 21:30:03 | Roland Müller

Donnerstag. Wir stürzen uns wieder für Euch ins Messegetümmel. Und ja, da kann man Otto nur zustimmen: Auch diese Messe ist wieder eine „mess“. Aber davon lassen wir uns nicht abhalten. So wenig, wie die Hunderte und Aberhunderte von Besuchern, die sich auf der riesigen Jubiläumswand im Gang vor Halle 4 mit mehr oder weniger intelligenten Grüßen verewigen.

Wir sind zwar recht früh unterwegs, aber es herrscht schon deutlich mehr Betrieb als gestern. Nicht nur bei Hanser in Halle 3.1. Und die in diesem Jubiläumsjahr jubiläumsbreiten Gänge werden sich im Verlauf des Tages deutlich füllen.

Auch auf der Bühne der FAZ ist einiges los. Gestern noch ein einsamer Barrista im Zwiegespräch, heute ein voll besetztes Auditorium, das sich mit FAZ-typisch komplexen Themen auseinandersetzt. Diesmal Demokratie und Populismus, Fake News und höhere Lesefähigkeiten. Wir hören kurz hinein und können nur zustimmen: Es besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen mangelhafter Lesefähigkeit und der Anfälligkeit, auf Fake-News und damit demokratiegefährdende populistische Manipulationsstrategien hereinzufallen. Doch weiter! Heute wollen wir uns etwas mehr als gestern auf Neuerscheinungen, aber auch auf Bewährtes konzentrieren und – wie alle Jahre wieder – handfeste Lesetipps aussprechen …

In den Tropen, nein, bei Tropen werden wir fündig. Nicht unbedingt bei Herrn Helgason, dem schlagkräftigen Isländer …

… Sondern bei Jean-Christophe Grangé, der mit Die Marmornen Träume einen veritablen Thriller vorlegt, der im Berlin des Nationalsozialismus spielt. Vielleicht kein Pageturner, aber wer Die Purpurnen Flüsse gelesen hat, weiß um die erzählerische Qualität von Grangé.

Berlin gibt generell eine perfekte Kulisse ab für einen spannenden Thriller. Das Berlin des Jahres 1939 ganz besonders. Das wissen wir nicht erst seit der Erfolgsserie Babylon Berlin. Wir haben das Buch kurz angelesen und sind überzeugt: Das ist unser erster Lesetipp der diesjährigen Frankfurter Buchmesse!

Gleich nebenan finden wir endlich mal wieder etwas Neues Altes von Cyberpunk-Altmeister William Gibson: Peripherie. Erschienen bereits 2016. Aber mit Auflegen der Prime-Streamingserie wieder aktuell.

Nicht unbedingt ein weiterer Lesetipp, aber allein schon deswegen eine Beinah-Pflichtlektüre, um festzustellen, ob Gibson sich erzählerisch weiterentwickelt hat. Und ob die Sttreamingserie der Vorlage gerecht wird.

Wir schlendern weiter und kommen am Stand des von uns heißgeliebten mareverlags vorbei. Einer der wenigen Verlage, bei dem wir blind fast jede Neuerscheinung kaufen würden. Und das nicht erst, seit ein Gentleman über Bord gegangen ist.

Natürlich schauen wir auch beim Kampa Verlag vorbei. Und wie der Messezufall so spielt, treffen wir genau jenen Autor im Gespräch mit einer Verlagsvertreterin vertieft, dessen aktuellen Krimi Der Böse Vater wir ebenfalls auf unserer Beobachtungsliste haben – Christof Weigold.

Tatsächlich schon wieder ein historischer Krimi. Dieser spielt im Hollywood der späten zwanziger Jahre, zu dem Zeitpunkt, als der Stummfilm vom Tonfilm bedrängt und schließlich abgelöst wurde. Ein spannendes Set-up und eine fesselnde Handlung. Ein bischen im Noir-Stil, geschrieben von einem Autor, der selbst große TV- und Drehbucherfahrung hat.

Zudem war Weigold lange Jahre einer der Autoren der legendären Harald-Schmidt-Show. Was allerdings für uns keine Rolle spielt, wenn wir seinen Hollywood-Thriller um den zwielichtigen Privatdetektiv Harry Engel als unseren zweiten Lesetipp präsentieren!

Wer fürs Weihnachtsfest noch ein handliches Geschenk sucht, dem es allenfalls an christlicher Nächstenliebe mangelt, der wird ebenfalls bei Kampa fündig. Rotes Lametta versammelt eine Reihe recht blutiger Weihnachtsgeschichten …

… von illustren Autoren wie Michael Connelly, Henning Mankell und anderen Autoren ähnlicher literarischer Gewichtsklasse. Ein wirklich nettes Geschenk, das uns der Kampa Verlag da macht.

Wir wandern weiter, immer auf der Suche nach literarischem Beutegut, das zu empfehlen sich lohnt. Wie bereits gestern passieren wir die Schiefertafel NordSüd, auf dem die Messebesucher :innen aufgefordert werden, zu erzählen, was ihr Leben bunt macht. Mittlerweile hat sich die Tafel ganz schön gefüllt.

Wir entscheiden uns für einen Positionswechsel und drängeln uns mit anderen auf den mittlerweile unter der Last ächzenden Rolltreppen zur nächsten Etage.

Unser Ziel ist unter anderem der Stand des Dumont Buchverlags. Denn wir wissen, dass wir hier etwas finden werden, was jeden echten „Bookie“ zu begeistern vermag …

Der neue Murakami. Haruki Murakami stellt mit Honigkuchen sein neuestes Machwerk vor. Auf den ersten Blick können wir es nur schwer einordnen. Kinderbuch? Märchenbuch? Oder einfach nur ein typischer Murakami, also melancholisch phantastische Erzählkunst, die oft genug gängige Genreregeln bricht oder gar ignoriert?

Der Text auf der Rückseite macht schnell klar: Ja, das ist wieder ein typischer Murakami! Neugierig geworden, lesen wir die erste Seite an …

Was wie eine Kindergeschichte beginnt, eine Geschichte, die ein Vater seiner kleinen Tochter erzählen mag, gewinnt schnell an Tiefe und rührt am Grundsätzlichen des Lebens und Liebens. Ja, wir lieben Murakami. Auch diesen. Deshalb: Unser dritter Lesetipp!

Wir ziehen weiter und stolpern über Vaters Meer. Beziehungsweise über Deniz Utlu, der gerade sein sehr erfolgreiches Buch im Rahmen des Bayerischen Buchpreises 2023 präsentiert. weiß Gott nicht die erste Auszeichnung, die er dafür erhält. Und allemal berechtigt.

Wir hingegen sind unterwegs zu einem anderen Buchpreis, noch südlicher gelegen. Nämlich der Schweizer Buchpreis 2023. Am Gemeinschaftsstand der Schweizer Verlage haben wir auch in früheren Jahren schon spannende Entdeckungen gemacht. Und heute? Wir stöbern ein bisschen …

Und plötzlich macht es Glitsch! Glitsch von Adam Schwarz ist für den Schweizer Buchpreis nominiert und im Zytglogge Verlag erschienen (es muss nicht immer Diogenes sein!). Der Roman lässt sich in das noch junge Genre Climate Fiction einordnen und verfolgt einen sehr interessanten Ansatz …

Nämlich eine schräge Mischung aus surrealen Elementen, knallharter Informatik ( ein Glitsch ist eine spezifische Art von Computerfehler) und einer stilistischen Raffinesse, die nach unserem ersten Eindruck eine leichte Seelenverwandschaft zu T. C. Boyle erahnen lässt. Ob gewollt oder ungewollt, sei mal dahingestellt.

Wir lesen die erste Seite an, dann eine weitere mittendrin und das Ende. Und ja. Das hat was. Wir wollen hier nicht spoilern, sondern erklären Glitsch einfach zu unserem vierten Lesetipp!

Meist ist es ja so, dass sich an der Peripherie der Ausstellungsflächen der Messehallen kleinere, exotischere oder sogar skurrilere Aussteller platziert sehen. An diesem hier konnten wir dann auch nicht unkommentiert vorübergehen. Die Edition Porsche (Porsche verlegt Bücher? Klar, Bildbände, was sonst!) hatte den ultimativen Blickfang aufgefahren, einen Porsche 356 der erste Serie, direkt aus dem Porsche Museum. Versicherungswert vermutlich … nein, da wollen wir gar nicht drüber nachdenken. Jedenfalls ein schönes Stück Technikgeschichte. Und bevor jemand auf dumme Gedanken kommt: Nachts wird das Teil natürlich bewacht!

Im Anschluss, der Nachmittag war schon deutlich vorangeschritten, haben wir noch einen Termin wahrgenommen am Stand des Bundesverbands junger Autoren (BVjA), wo wir Karin Seemayer antrafen, die gerade im Turnus die Wacht am Stand wahrnahm. Begleitet von einer nicht ganz unbekannten Buchbloggerin …

Wenig später trafen wir unser nächstes „Date“, Marco Schreiber, am Stand des Syndikats, der wie üblich von jeder Menge mörderischer Schwestern belagert wurde. Tolle Stimmumg. Und wir konnten uns mit Marco über seinen Dithmarschen-Krimi unterhalten – Marschblut, sehr lesenswert! – und wie es sich anfühlt, als Lehrer Autor von Kriminalromanen zu sein und seit kurzem auch Mitglied des Syndikats – einer, wie die meisten Leser:innen sicher wissen, überaus erfolgreichen Vereinigung von Krimiautor:innen. Danke, Marco, für das Leseexemplar, das wird direkt nach der Messe verschlungen. Schließlich muss unsereiner ja wissen, was Ihr da oben im Kreis Dithmarschen so treibt. LOL.

Es war heute doch wieder ein recht langer Messetag. Wir erholen uns draußen an der frischen Luft und beobachtenein paar Asterixe auf freier Wildbahn beim Verzehr von … nein, keinen Wildschweinen, sonder ganz profanen Pommes. Die Gallier sind eben auch nicht mehr, was sie mal waren.

Für heute lassen wir’s gut sein. Bepackt mit Prospekten, Eindrücken, Beobachtungen und viel zu vielen Fotos machen wir uns auf den Weg nach Hause. Schließlich ist morgen auch noch ein Tag.

CU tomorrow!

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