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The Day after – nach Jobs die Sintflut?

Veröffentlicht in Apple & Co | 26. Oktober 2007 | 21:14:55 | Roland Müller

Neulich, in Berlin, als Steve Jobs neben den Telekom-Oberen in ihren geschniegelten und gebügelten Nadelstreifen mit (würg!) magentafarbenen Krawatten seinen gewohnt lässigen Rolli-und-Jeans-Auftritt hatte, stellte sich mir einmal mehr die Frage: Was kommt nach ihm?

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Wie wird eine Apple Company ohne Steve Jobs aussehen? Zugegeben, Apple ist längst in den Mainstream eingebogen und steht aller Voraussicht nach vor den vier, fünf größten und profitabelsten Jahren seiner Unternehmensgeschichte. Trotzdem oder gerade deswegen ist es an der Zeit, dass sich Apple ebenso wie wir Gedanken machen sollte über den „Day After“. Denn der kann schneller kommen als wir alle denken…

Niemand ist unersetzlich, sagt man

Doch wer kann, wer will, wer würde in die übergroßen Fußstapfen des amtierenden CEO treten, ohne darin zu versinken? Jonathan Ive? Der Ivanhoe des Apple-Designs? Nein. Ive ist zu introvertiert, mag sich nicht in den Vordergrund spielen. Es fehlt ihm schlicht das dazu notwendige aufgeblähte Ego. Und in einem aktuellen Interview mit Cult of Mac (siehe weiter unten) hat er eh deutlich gemacht, dass eine solche Rolle für ihn schlicht nicht vorstellbar wäre. Und wer steht sonst noch in der zweiten Apple-Reihe bereit, um die Lücke zu füllen, sollte sie sich irgendwann auftun? Dazu möchte ich mir hier im Anschluss ein paar Überlegungen anstellen. Es wäre schließlich unschön zu sehen, dass es dem Global Player Apple genau so geht wie der Mehrzahl mittelständischer Unternehmen hierzulande – sie verschlafen die Notwendigkeit einer vernünftigen und vor allem rechtzeitigen Nachfolgeregelung. Wobei diese gerade bei Apple dringend geboten wäre. Gerade jetzt.

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Die Einschläge kommen näher

Vergessen wir nicht, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass Steve Jobs, gerade genesen von einer so überraschenden wie unerfreulichen Krebserkrankung, in einer Ansprache vor den Erstsemestern der Stanford University sehr nachdenkliche Worte fand zu seiner eigenen Sterblichkeit und den Implikationen, die diese für ihn hat. Okay, 52 Jahre sind wahrhaftig kein Alter, wo man dazu neigt, die eigene Entbehrlichkeit in Angriff zu nehmen. Schon gar nicht, wenn man der Nabel, Entschuldigung, das Hub der digitalen Apple-Lifestyle-Welt ist. Und doch… Ist ein Pankreas-Krebs nicht so etwas wie ein Schuss vor den Bug? Steve Jobs‘ Rede vor den Abgängern der Stanford University, gehalten im Juni 2005 und geYouTubed, enthält nicht nur zwischen den Zeilen Hinweise darauf, dass der Herr aller Äpfel sich seiner eigenen Sterblichkeit nur allzu bewusst ist. Aber ist das auch seinen Mitarbeitern klar? Und den Analysten, die da jauchzen und frohlocken, wenn Cupertino einmal mehr erquickliche Quartalsergebnisse präsentiert? Wohl eher nicht. Da greift wie bei praktisch jedem, der der Marke nahesteht, ein ganz eigenartiger und sehr mächtiger Verdrängungsmechanismus.

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Mal wieder alles top secret

Apple nach Steve? Kein Gedanke daran. Auch wenn es laut Aussage von Apple-Sprecher Steve Dowling durchaus eine interne Nachfolgeregelung gibt, so wird diese doch als streng geheim behandelt. Verdrängung auch hier. Spekulieren wir doch mal: Wer aus dem recht überschaubaren Apple-Universum rund um Steve Jobs könnte ein Kandidat sein, der Gnade findet vor Steve Jobs, dem USP (Marketingdeutsch: unique selling proposition = Alleinstellungsmerkmal) von Apple?

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Apples vermutlicher Back-up CEO

Chief Operations Officer Tim Cook, Apples inoffizieller Back-up CEO, der längst Phil Schiller in dieser Position überholt hat? Er hat Jobs bereits während dessen Krebserkrankung vertreten. Liest man allerdings diese Insiderinformationen eines mit ihm vertrauten Mitarbeiters, dann ist das eine zwar vertretbare, aber vielleicht nicht die beste aller Lösungen. Oder etwa doch Design-Mastermind Jonathan Ive, Senior Vice President of Industrial Design mit vollem Titel, vorläufig krönender Abschluss der langen Reihe hervorragender Apple-Designer? Der hat mehrfach bekundet, dass ihm jeder Ehrgeiz in dieser Richtung fremd sei. Was für ihn spricht. Denn Jonathan Ive ist gewiss auf seine Weise genial, aber nicht ein natürliches Marketing-Genie mit treffsicherem Bauchgefühl wie Steve Jobs.

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Viele Senatoren, aber kein Caesar

Und der Rest der Führungs-Crew? Jon Rubinstein, Bertrand Serlet, Sina Tamaddon und Avi Tavanian… alle gute Manager auf den richtigen Positionen. Aber auch alle „nur“ Steve Jobs‘ Zuträger. Wird Apple nach Jobs also sein wie Disney nach Walt Disney, wie James Stoup recht überzeugend prognostiziert?

Mein Wunsch: ein Ex als Nachfolger

Vielleicht doch nicht. Denn ich persönlich hätte eine erste Wahl für die Zeit nach Steve Jobs. Eine Wahl, mit der sich in gewisser Weise der Kreis wieder schleißen würde. Eine Person mit ähnlichem Charisma wie Jobs selbst: Guy Kawasaki – der einzige Mensch auf Erden, dem ich eine Steve-Jobs-Nachfolge zutrauen würde. Aber okay, ich habe ja – vielleicht zum Glück – in Cupertino nichts zu sagen 😉

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2 Antworten zu “The Day after – nach Jobs die Sintflut?”

  1. 28. Oktober 2007 um 13:06:53 | warlord sagt:

    Die Gebrüder Google könnten eine, wenn auch in meinen Augen nicht unbedingt wünschbare, Option darstellen.

  2. 01. November 2007 um 18:11:35 | Roland sagt:

    Puh. Klar, die Herren hätten das Potenzial. Aber eine solche Massierung von Marktmacht würde mir dann schon den Schweiß auf die Userstirn treiben…