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FBM 2023 – Mittwoch (1/5): Aller Anfang ist leer

Veröffentlicht in Gesellschaft, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, Politik, Unterhaltung | 18. Oktober 2023 | 21:40:17 | Roland Müller

Ich erspare uns allen die üblichen Außenaufnahmen von der Frankfurter Messe. Stattdessen stürzen wir uns mitten hinein in den Trubel und machen uns auf zur Halle 3. Trubel? Nein, ganz im Gegenteil, am Mittwochmorgen ist es erfreulich leer und ganz entspannt. Wo sich sonst auf den Rolltreppen die Menschenmassen drängen, herrscht Mut zur Lücke. Wunderbar! Wissen wir doch aus eigener Erfahrung, dass sich das in den kommenden Tagen und sogar im Laufe dieses Tages ändern wird.

Wir tauchen ein in die Halle 3. Ein wenig müssen wir uns umorientieren. Denn viele der Verlagsstände treffen wir nicht dort an, wo wir sie bei vergangenen Buchmessen vorgefunden haben. S. Fischer zum Beispiel war immer in Halle 3.1, macht sich nun aber in der Etage darunter breit, in Halle 3.0. Apropos breit: Auch die Mittelgänge sind sehr viel breiter angelegt als bei früheren Frankfurter Buchmessen. Recht so! Denn wenn das Geschiebe und Gedränge erst losgeht, hilft jeder zusätzliche Meter!

Ruhe und leeres Gestühl treffen wir auch am Stand der FAZ an. Selbst der Barrista gönnt sich einen entspannten Pausenplausch mit einer FAZ-Mitarbeiterin.

Am Stand der Aufbau Verlage ist schon ein wenig mehr los. Sehr schön. Immerhin darf ich mich ab dem Frühjahrsprogramm 2024 zu den Verlagsautoren zählen. Später am Tag werde ich hier noch meinen Agenten treffen und einen der Vertriebsmitarbeiter. Spannende Zeiten! Natürlich liegt es nah, einmal zu schauen, was sich so in „meinem“ zukünftigen Regal bei Aufbau Taschenbuch (atb) tut …

Nicht schlecht. Insbesondere Virtua von Karl Olsberg springt mir ins Auge. Ein spannender und gut recherchierter KI-Thriller. Nein, nicht von einer KI geschrieben, sondern über eine KI geschrieben. Und das sehr spannend. Entwickelt sich da gerade ein eigenes Subgenre? Wer weiß. Ich für meinen Teil werde mich mit EISRAUSCH demnächst in diesem Umfeld durchsetzen müssen. Ob das gelingt? Wir werden sehen.

Nicht weit entfernt, am Haufe-Stand, wird die KI-Revolution branchenrelevant thematisiert. Noch handelt man sie hier auf der Messe als ein durchaus willkommenes zusätzliches Werkzeug, das zunehmend in der Verlagsarbeit eingesetzt wird. Aber: Wird das so bleiben? Oder stehen wir alle, die wir mit Sprache „arbeiten“, früher oder später auf der Abschussliste? Bei einigen, besonders regelbasierten Genres könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eine gut trainierte KI Autor:innen ersetzen könnte – Romance, Romantasy, Dark Romance … wer weiß?

Ein anderer Aufreger, diesmal ein sehr menschlicher, begegnet uns ein paar Stände weiter, bei Suhrkamp: Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek – ohne Zweifel einer der Großen seiner Zunft und immer für eine zielgerichtete Polemik gut – verurteilte bei der feierlichen Eröffnung der Buchmesse die Hamas, forderte aber auch Verständnis für Palästinenser. Ein Eklat. Dessenungeachtet kann ich ihn nur dringend zur Lektüre enpfehlen. Einer der wenigen Philosophen, der in der Lage ist, „out of the box“ zu denken, ohne dabei wie ein prechtiges Exemplar aus deutschen Landen mit unqualifizierten Äußerungen Talkshows zu bespaßen.

So wie Žižek auf seine Art die Welt bunter macht, tun dies mittendrin auch diese jungen Leute mit Kreide auf einer riesigen Schiefertafel. Kreativität auf ganz analoge Art, wie schön. Und wie nostalgisch.

Wir eilen weiter und winken im Vorbeigehen der berühmten Ullstein-Eule. Der traditionsreiche Berliner Verlag nimmt wie meist sehr viel Raum ein. Wir werden dem Verlagsprogramm an einem der kommenden Tage noch einen genaueren Blick widmen.

Ebenso wie wir einen intensiveren Blick werfen werden auf das Schaffen des diesjährigen Literatur-Nobelpreisträgers Jon Fosse, dessen Konterfei wir am angemessen stolzen rowohlt-Stand entdecken. Fragen? Antworten! Ja, darauf werden wir gerne zurückkommen.

Nachdem wir uns einen ersten Überblick über die Verlage in Halle 3.0 und 3.1 verschafft haben, gehen wir nun ein wenig gezielter vor. Viele Verlage bieten ein reichhaltiges Präsentationsprogramm im 20- oder 30-Minutentakt. Wir entdecken Isabel Bogdahn im Gespräch mit Peter Tschentscher, dem Ersten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Im Rahmen der Reihe Politik trifft Buch am Stand von Vorwärts. Wir lauschen eine Weile, was Isabel Bogdahn, die ihre schriftstellerische Karriere ja selbst als Übersetzerin begann, über die Situation von Schriftsteller:innen und Übersetzer:innen zu erzählen weiß. Spannend.

Thematisch profaner wird es beim Weiterbummeln am Stand von Droemer Knaur, wo Die Schwarze Königin von Markus Heitz ihren Thron aufgebaut hat, während um die Ecke Fitzek lauert. Nicht von ungefähr ist Droemer Knaur ein Schwergewicht im Bereich der Unterhaltungsliteratur. Man scheint hier ein Händchen zu haben für marktgerechte Themen.

Nicht weit entfernt, in einem Parallelgang, hat man ein Händchen für Networking. Das Netzwerkfrühstück des Berufsverbands der Autorinnen und Autoren der Schweiz (A*dS) und des European Writers Council (EWC) war trotz der noch frühen Stunde gut besucht und gut bestückt mit Sekt und Schnittchen.

Dagegen hatt der Emons Verlag mit seiner fabelhaften Welt der Regionalliteratur und einer Obstschale auf dem langen Holztisch kaum eine Chance. Übrigens ein Verlag, den ich sehr schätze. Denn er gehört zu den wenigen, die einen klaren USP entwickelt haben und ihren definierten Markt mit qualitativ hochwertigen Geschichten bedienen.

Zur Abrundung unseres ersten Messerundgangs gönnen wir uns noch einen Zwischenstop im Zentrum des ausufernden Messestands der Penguin Random House Verlagsgruppe. Alle Jahre wieder organisieren hier Stern und PRH gemeinsam die sogenannte 30-Minuten-WG. Ein Interviewformat mit jeweils einem Autor oder einer Autorin. Wir lauschen eine Weile einem der rund 50 Live-Talks, die hier während der Messe laufen werden. Jeweils im Stream oder im Nachhinein anzuschauen auf der litlounge.de – in unserem Fall interviewte Catrin Boldebuck Sherko Fatah zu seiner beklemmenden Vater-Tochter-Geschichte Der große Wunsch.

Langsam tickt auch bei uns die Uhr. Also machen wir uns auf den Weg nach draußen. Ein kurzer Zwischenstop bei Reclam, „Versüßer“ unerträglicher Schulstunden im Deutschunterricht und farblich einfach schön anzuschauen. Mögen uns die berühmten Reclamausgaben noch lange erhalten bleiben!

Kurz bevor wir am Ausgang sind, passieren wir noch den Stand zum Kulturpass. Vielleicht die erfolgreichste Innovation der letzten Jahre, was Kultur für alle angeht. Mittlerweile, so wissen wir, sind mehr als 200.000 Kulturpässe angefordert worden. Damit wurden 400.000 Käufe getätigt, die Hälfte davon waren Bücher. Hey, wenn das mal keine gute Nachricht ist für die Buchbranche: Kids, die zu Hunderttausenden wieder lesen! Weiter so!

Auf der Außenterrasse von Halle 3.1 genießen wir die frische, eisige Polarluft und lassen den Blick über die noch ziemlich leere Agora schweifen, in deren Zentrum der Frankfurt Pavillon thront wie ein von einer Riesenhenne gelegtes Ei, bewacht von einem aufgeblasenen Asterix. Allzulange halten wir uns hier aber nicht auf. Denn gleich stehen Termine an auf der Literaturbühne von ARD/ZDF/3sat. Also los!

In diesem Jahr haben die drei Sender ARD, ZDF und 3sat erstmnals ihre Bühnen zusammengeworfen. Was nicht unpraktisch ist, muss man so doch nicht zwischen hier und Halle 4 umherirren. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um uns anzuhören, was Necati Öziri zu seinem Roman Vatermal zu sagen hat, einem der Highlights des Bücherjahres 2023. Wir sind fasziniert. Zu selten hört und liest man eine Stimme jener Mitbürger:innen mit migrantischem Hintergrund, die so authentisch, so fesselnd aus einer Welt erzählt, die doch eigentlich unsere ist.

Direkt im Anschluss interviewt Gert Scobel Thomas Meyer, den Autor der Biographie Hannah Arendt. Eigentlich kann man sagen: DIE Biographie von Hannah Arendt. Denn Meyer, obgleich forschender Akademiker, entpuppt sich nicht nur als profunder Kenner der Philosophin und räumt mit er Art und Weise, wie er sich über das neue Standardwerk (und das ist es meiner Meinung!) äußert. Sehr unterhaltsam und sehr lehrreich. Das Buch steht hiermit auf unserer Buchmesse-Kaufliste!

Im Anschluss wechselt nicht nur die Projektionsfarbe des Hintergrunds – umgeschaltet auf aspekte – plötzlich knäulen sich auch zahlreiche Fotografen vor der Bühne. Na klar, kann ja auch nicht anders sein, wenn ein Liebling der Nation die Bühne betritt: Elke Heidenreich

Katty Salié unterhält sich mit Elke Heidenreich über deren neues Kinder- und Erwachsenenbuch Frau Dr. Moormann und ich. Elke Heidenreich, längst altersweise und von einem unübertrefflich launigen Humor beseelt, weiß wie immer mit dem Herzen zu erzählen. Kein Wunder, dass das Auditorium der Literaturbühne bis auf den letzten Platz gefüllt ist und ein lang anhaltender Beifall Heidenreich verabschiedet.

Wir brechen noch nicht auf. Denn direkt im Anschluss widmet sich Katty einem Autorenkollegen aus dem Montségur-Autorenforum, Peter Wohlleben. Deutschlands prominentester Förster ist nicht nur ein großartiger Autor, sondern auch ein vor Optimismus strahlender Mensch. Eine Seltenheit in den Tagen einer sich beschleunigenden Klimakrise. Sein neues Buch Unser wildes Erbe erklärt uns, wie uns Instinkte steuern und was wir daraus lernen können. Einmal mehr eine aufschlussreiche Lektüre und ein gelungenes Beispiel für ein perfektes erzählendes Sachbuch.

Damit beschließen wir den ersten Tag auf der 75. Frankfurter Buchmesse. Erschöpft, aber aufgedreht machen wir uns auf den Weg zurück nach Hause. Morgen werden wir die nächste Runde drehen. Wer uns dabei folgen möchte, ist herzlich eingeladen. Wir werden sicher wieder Spannendes entdecken. Stay tuned!

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Frankfurter Buchmesse 2017 (5): Robowriter und Udorock

Veröffentlicht in Gesellschaft, Internet, Kultur, Kunst, Literatur, Medien | 14. Oktober 2017 | 18:12:47 | Roland Müller

FBM17_01Luftballons

Und weiter geht’s! Heute werden wir auf die bunteren Aspekte dieser Buchmesse achten, sicher wieder etliche Lese-Empfehlungen aussprechen und schauen, was uns links und rechts des Weges an Ungewöhnlichem auffällt. Und da gibt es durchaus so einiges…

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