Heute ist der letzte Tag der Frankfurter Buchmesse 2017. Während hoch oben am Himmel über den Frankfurter Messehallen ein einsamer Ballon seines Weges zieht, resümieren wir. Wir haben vieles gesehen, manches beschmunzelt und aus dem Wust der Neuerscheinungen zwanzig Lesetipps herausgepickt. Bücher, die wir aus durchaus subjektiven Gründen lesenswert fanden. Doch stop! Ein Highlight dieser Messe haben wir uns bis zuletzt aufgespart: den Auftritt einer Diva der französischsprachigen Literatur, in den wir Mitte der Woche mehr oder weniger zufällig hineingeraten waren. Davon sei zum Abschluss berichtet…
Auch im deutschen Verlags- und Literaturgeschäft gibt es Stars. Solche, die dazu gemacht werden und jene, die es tatsächlich sind. Doch keiner der deutschsprachigen Autoren oder Autorinnen, die wir kennen, zieht wohl Leser und Medien derart in den Bann wie diese Frau es jenseits des Rheins vermag…
Als sich eine kaum überschaubare Zahl von Fotografen und Kamerateams am Eingang des französischen Pavillons zusammenballte, ahnten wir schon, dass hier ein offenbar wichtiger Besucher erwartet wurde. Ein Politiker oder eine Politikerin? Der französische Botschafter in Deutschland? Ein Literaturkritiker von Rang? Weit gefehlt. Amélie Nothomb hatte ihren großen Auftritt!
Amélie, eigentlich Fabienne Claire Nothomb, belgische Schriftstellerin französischer Sprache, geboren in Japan als Tochter einer adligen belgischen Diplomatenfamilie, lange Jahre in Fernost gelebt, u. a. in Japan, dann in New York, nun zwischen Paris und Brüssel pendelnde Vielschreiberin und im französischsprachigen Raum ein gefeierter Star.
Kein Wunder also, dass zumindest die französischen TV-Sender sich regelrecht auf sie stürzen, um Interviews mit ihr zu führen. Was uns als Zaungäste die Gelegenheit bot, ein wenig zu lauschen und ansonsten zu recherchieren, ob das Werk von Mme. Nothomb auch den Ansprüchen gerecht wird, die ihr fulminanter Auftritt in Gothic-Schwarz und Hut – eines ihrer Markenzeichen – erwarten lässt.
Interessanterweise äußert sie sich im von uns beobachteten Interview mit einem französischen Kulturmagazin völlig unprätentiös sowohl zu ihrer diesjährigen Neuerscheinung als auch zum Auftritt Frankreichs auf der Buchmesse per se. Erstaunlich, wo man ihr doch nachsagt, ein großer Narziss zu sein und dies durch ausgeprägte Selbstironie zu kaschieren. Und ihr Werk?
Nun, da kann man durchaus geteilter Meinung sein. Irgendwie zieht sich ein deutlicher autobiographischer Bezug wie der sprichwörtliche rote Faden durch alle 19 in deutscher Sprache lesbaren Romane. Wobei der letzte, neueste von der ZEIT treffend charakterisiert wurde als irgendwie aus der Zeit gefallen. Andererseits fasziniert die schwebende Leichtigkeit und Nonchalance ihrer Sprache, die Art und Weise, wie sie völlig wertfrei beschreibt, Regeln und Tabus bricht. Immer gekennzeichnet durch intensive Dialoge meist zweier ProtagonistInnen, die sich bis aufs Blut aneinander abarbeiten. Dass immer wieder einmal ihre frühesten Jugenderfahrungen ins Spiel kommen, mag nicht jedermanns Sache sein. Aber Stoff bietet es allemal. Und einen mitunter sehr ungewöhnlichen Blickwinkel auf die Dinge des Lebens.
So ist das eben, wenn eine kosmopolitisch aufgewachsene und zugleich irgendwie entwurzelte Literatur-Diva aus ältestem belgischem Adel zur Feder greift und diese mit der Leichtigkeit eines Floretts führt. In ihren teils abgründigen Bestiarien geht es bitterböse zu, tragisch, komisch, mit oft schwarzem Humor und hin und wieder geradezu philosophischer Implikation. Eine spannende Mixtur und darin sehr eigenständig. Vier ihrer Romane, alle recht kompakt auf selten mehr als 200 Seiten zu Papier gebracht, ragen aus ihrem Werk heraus: „Mit Staunen und Zittern“, „Die Reinheit des Mörders“, „Blaubart“ sowie „Die Kunst, Champagner zu trinken“. Alle erschienen bei Diogenes. Und alle unbedingt lesenswert!
Damit möchten wir unsere Berichterstattung von der Frankfurter Buchmesse 2017 beenden. Es hat Spaß gemacht, Augen und Ohren unserer Leser zu sein und vielleicht den einen oder anderen Literaturinteressierten auf eine Fährte gebracht zu haben, die zu verfolgen sich lohnt. Au revoir mes amis!
Tags: Amélie Nothomb, Diogenes Verlag, Frankfurter Buchmesse 2017
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