Kamera
Schokolade

Frankfurter Buchmesse 2011 (2)

Veröffentlicht in Apple & Co, Kultur, Kunst, Literatur, Medien, multimedia | 17. Oktober 2011 | 10:07:08 | Roland Müller

BM2011_Rolltreppe

Unser zweiter Besuchstag auf der Frankfurter Buchmesse steht ganz im Zeichen des Ehrengastes Island. Erstaunlich, dass die kleine, vom Eis bedrängte, vulkan- und finanzkrisengeschüttelte Insel mit ihren gerade mal 320.000 Einwohnern eine solche literarische Vitalität entfaltet, dass sie im Zentrum der größten Buchmesse der Welt steht. Wie wird sich Island präsentieren? Wir sind gespannt…

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Island hat sich nicht lumpen lassen. Mit gigantischen Projektionswänden, die mit einer 360 Grad Rundumprojektion die Besucher geradezu magisch hineinziehen in die urzeitlichen Naturwunder der Insel, das hat schon was. Die Reaktionen der Besucher sprechen Bände: stummes Staunen…

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Doch damit nicht genug. Wer das elementare Videoschauspiel hinter sich gebracht hat, findet sich wieder in einem Labyrinth weiterer Großprojektionen mit scheinbaren Standbildern lesender Menschen. Diese entpuppen sich jedoch erst aus dem Augenwinkel, dann erst bewusst wahrgenommen ebenfalls als Videos. Das Umblättern einer Buchseite, die Bewegung einer Hand, wer liest, regt sich wenig. Faszinierend. Und mittendrin…

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…sind dann sehr intim beleuchtete Leseinseln platziert. Diese setzen sich im Innern der Installation fort in einer Art Lese-Salon.

BM2011_IslandLesesalon

Möbliert mit Omas und Opas Lieblingssesseln, Tischen, Stühlen, Kommoden. Was für ein gewagter Kontrast zur rasenden Digitalisierung der literarischen Welt!

BM2011_IslandBuehne

Wir schlendern weiter, mental längst eingetaucht in eine entschleunigte analoge Lesewelt und kommen in einem großen, weitgehend abgedunkelten Saal an. Hier steht die Bühne. Hier werden Islands Autoren präsentiert.

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Ævar Örn Jósepsson stellt sich uns vor – und geschätzten 300 Besuchern in dem bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten Halle. Wie so viele seiner literarischen Kollegen einer der erstaunlich zahlreichen isländischen Krimiautoren. Praktischerweise hat er in Freiburg studiert und spricht deshalb ein exzellentes Deutsch.

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Ein ausgesprochen amüsanter und unterhaltsamer Zeitgenosse, der uns nicht nur neugierig macht auf die noch junge isländische Kriminalliteratur, sondern mehr noch auf das, was die isländische Gesellschaft antreibt und eben diese literarische Form speist.

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Immerhin hat uns Ævar Örn Jósepsson neugierig gemacht auf mehr. Deshalb wollen wir kurz entschlossen sein neuestes Werk erwerben und hören verblüfft, dass man es uns schenken will. Nun gut, die Großzügigkeit der Isländer ist schließlich legendär und es wäre unhöflich, ein solches Angebot abzuschlagen. Also nehmen wir das drittletzte Exemplar, das noch zu haben ist, vom Stapel und lassen es uns von dem massigen Wikingernachfahren signieren. Womit wir auch schon bei unserem nächsten Lesetipp sind: „Wer ohne Sünde ist“, erschienen im btb Verlag der Verlagsgruppe Random House.

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Auf dem Rückweg zur Halle 3 müssen wir quer durch die Installation der ARD. Das Blaue Sofa hat sich ja als eine der bevorzugten Talkrunden der Buchmesse etabliert. Das Programm ist entsprechend umfangreich. Autoren und Verleger geben sich quasi die Klinke in die Hand. Trotzdem ist uns das ein bisserl zuviel Medienrummel…

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Auch wenn es ganz amüsant ist, von der Empore herunter, auf der wir das Geschehen beobachten, zu raten, wer da eben gerade mit wem und worüber… naja… Es gibt Wichtigeres auf einer Buchmesse.

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Zum Beispiel ein weiterer Lesetipp, während wir uns auf den Weg zurück durch Halle 3 aufs Außengelände machen: Hamed Abdel-Samads profunde Bewertung der arabischen Revolution mit dem Titel „Krieg oder Frieden“, erschienen bei Droemer. Ein Politologe mit subversivem Humor – siehe seine Auftritte mit Henryk M. Broder – und Durchblick, wirklich ungewöhnlich.

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Auf unserem weiteren Weg werden kurz noch durchaus prägende Jugenderinnerungen wach. Perry Rhodan, mein Gott, was habe ich den verschlungen zu Schulzeiten, trunken von Science Fiction. Erstaunlich, wenn nicht gar ein populärliterarisches Phänomen, dass diese Heftserie mittlerweile mit mehr als 2.500 Folgen schon seit 50 Jahren erfolgreich publiziert wird und durchaus humanistische Grundprinzipien vermittelt – lange vor Star Trek!

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Kann es dazu einen härteren Kontrast geben als Iris Radisch, die Literaturkritikern der ZEIT, im Gespräch mit dem diesjährigen Gewinner des Deutschen Buchpreises Eugen Ruge? Nach dem ganzen Mediengetöse können wir uns weitere Erörterungen seines Erstlingswerks „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ sparen. Es ist ganz klar auch unser Lesetipp!

BM2011_SektundSelters

Wir stärken uns kurz und im Vorbeigehen mit ein wenig Sekt und Selters…

BM2011_Terrasse

…legen eine kurze Verschnaufpause auf der Außenterrasse der Halle 3 ein…

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…und werfen von oben bei strahlendem Sonnenschein einen ersten Blick auf unser nächstes Ziel: die Open Space genannte futuristische Hallenkonstruktion auf dem zentralen Platz zwischen den Messehallen. Übrig geblieben von der IAA und nun umgewidmet für die Buchmesse.

BM2011_No1eBook

Im Open Space angekommen, erwartet uns so etwas wie eine Miniatur MacWorld Expo – allerlei kleine und kleinste Digitalmedienproduzenten aus der Region, Macs allüberall, und mitten drin die Vorstellung des Nummer 1 eBook Thrillers aus dem neuen iBookstore: „Der Aurora Effekt“ von Rainer Wolf. Nein, gelesen haben wir seinen Thriller noch nicht. Aber wir können uns vorstellen, dass dessen Erfolg die Buchbranche ins Grübeln bringt.

BM2011_Twittermuell

Wir gehen weiter und stutzen! Was ist denn das? Berge, nein Gebirge von bedruckten Papierstreifen, die aussehen wie das, was aus den Quittungsbelegdruckern im Supermarkt herauskraucht?

BM2011_TwitterPaper

In langen Bahnen hängen die Papierstreifen von der Decke herab.Wir schauen genauer hin: Tatsächlich,…

BM2011_TwitterPrinter

…da oben stehen reihenweise Drucker, aus denen der Papiermüll quellt! Was soll das? Mal davon abgesehen, dass es eine wahnwitzige Rauminstallation ist? Nun, es handelt sich tatsächlich um eine künstlerisch inspirierte Rauminstallation von Christopher Baker. Und auf den Kilometern von Ausdrucken stehen in endloser Reihe in Echtzeit eingegebene und aus dem Netz gefischte Twitterkommentare! Irgendwie genial in seiner zwitschernden Belanglosigkeit.

BM2011_CollectiveStory

Mindestens eben so spannend fanden wir allerdings das Collective Storytelling Projekt, dass quasi hinter dem Papiervorhang in Szene gesetzt wurde. Literarisches Teamwork in Echtzeit, geht das? Technisch gesehen längst, aber auch dramaturgisch und kreativ? Ein interessanter und sicher weiterverfolgenswerter Ansatz. Gerade im Bereich des digitalen Publizierens.

BM2011_Lunchtime

Nachdem dieser zweite Messerundgang uns dann aber doch ziemlich ermattet sieht, legen wir abschließend eine Pause ein und suchen vorm Eingang des Open Space in einem der zahllosen mobilen gastronomischen Etablissements Zuflucht vom Messestress. In diesem Fall ein stilgerecht in einem klassischen Citroen Typ H eingebaute Flammkuchenbäckerei. Lecker! Und für jetzt das Letzte, was Ihr von uns zu hören und zu sehen bekommt!

Heute Abend oder morgen früh steht dann der dritte Teil unserer Buchmesse-Reportage auf dem Programm: Wir besuchen die kleineren und oft interessanteren Verlage in Halle 4. Stay tuned!

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