Alle Jahre wieder eröffnet in der Mainmetropole die größte und wohl auch wichtigste Buchmesse der Welt. Und wie bereits in den beiden vergangenen Jahren lassen wir es uns nicht nehmen, für unsere Leser einen entspannten Rundgang durch die Messehallen zu machen. Von unseren durchaus willkürlichen und subjektiven Eindrücken des diesjährigen Mega-Literatur-Events – oder sollen wir lieber Mega-Literaturvermarktungs-Event sagen? – soll nachfolgend die Rede sein. Gewürzt mit der einen oder anderen launigen Buchempfehlung, versteht sich…
Folgen wir also der Beflaggung. Die vor einem erstaunlich stahlblauen Oktoberhimmel im Herbstwind knallt und flattert. Die gleichen Flaggen wie im Vorjahr, aber auch die gleiche Messe? Wir werden sehen.
Zumindest der gleiche Eingang zu den Messehallen. Diesmal mit dem Gastland Argentinien. Weniger ambivalent als die VR China im Vorjahr, gewiss, aber durchaus eine sprachgewaltige literarische Macht.
Als weiteres déjà vue erwartet uns das unvermeidliche Gewimmel im Eingangsbereich. Dahinter warten die mit kugelsicheren Westen ausstaffierten Polizisten und Sicherheitsbeamten zur Taschenkontrolle. Kein problem. Wir kommen ohne Taschen oder Rucksäcke, da wir das lästige Gewühle ja schon kennen…
Nachdem man uns freundlich durchgewunken hat, rennen wir fast Richard David Precht über den Haufen, den bekannten Autor und Populärphilosophen. Na, denken wir uns, das fängt ja gut an!
Auf dem Weg zur Halle 3 verschaffen wir uns erst einmal den obligatorischen Überblick. Den es hier auch im Großformat gibt. Ja, wir werden wieder mit Halle 3 beginne, dem eigentlichen Rummelplatz der literarischen Eitelkeiten…
Ja, Rummelplatz trifft es wohl. Denn hier steppt nicht der Bär, hier tanzen die Superhelden. Und eifrige Asiaten digitaliknipsen, was das Zeug hält.
Aber genug des Vorgeplänkels. Wir machen uns nun auf den Weg zu unseren Lieblingsverlagen. Zum Beispiel dem Taschen Verlag, berühmt und manchmal auch berüchtigt für seine bibliophilen Überformate wie zuletzt das Buch über den Größten von allen, Muhammad Ali: „Greatest of all Time“. Kompetent besprochen hier. Ebenfalls sehr schön, wenn nicht sogar opulent (und passend zum Superhelden auf dem Show Floor): „75 Years of DC Comics“. Beides Monsterformate in der für Taschen bekannten Ausstattung.
Unweit des Taschen Verlags finden wir ein schönes Beispiel für den Aufwand, den das gebeutelte Verlagswesen treibt, um das Fachpublikum an den Stand zu locken: Bodypainting vorm Großfoto eines Birkenwäldchens. Putzig! Insbesondere die Reaktion der Fotografen…
Ein paar Stände weiter entdecken wir beim dtv Ursula Otts köstliches Bändchen „Total besteuert“ mit dem frivolen Untertitel „Wie ich einmal ganz allein den Staatshaushalt retten sollte“. Ein großer Lesespaß gerade in Zeiten der allgegenwärtigen Haushaltskrise. Unser 1. Lesetipp!
In damit bereits recht vergnüglicher Stimmung amüsieren wir uns am Hallenende über den frechen Duden-Spruch zur Lage der Rechtschreibeprüfungen auf Mac und PC.
Nur um kurz darauf über einen weiteren Lesetipp zu stolpern: Stephen Galloways wunderbar britisch-schräger Bildband „Göttlich dekadent wohnen“. Erschienen im Gerstenberg Verlag. Ein durchaus selbstironisches Bekenntnis des Kurators am Victoria and Albert Museum in London zu einem Wohnstil, der uns Bauhäuslern eher abwegig erscheinen mag. Gerade deswegen ein Augenschmaus nicht nur für Dandys!
Neben solchen Entdeckungen ist die Frankfurter Buchmesse natürlich auch ein willkommenes Jagdrevier zum Beäugen prominenter Autoren. Wir treffen zum Beispiel auf Wladimir Kaminer, dem mit seinem genialen Erstlingswerk „Russendisko“ 1990 für Furore gesorgt hatte und seitdem bei Random House schreibfreudig alle Jahre wieder nachlegt. Diesmal mit „Meine kaukasische Schwiegermutter“. Ein YouTube-Interview aus vergangenem Jahr findet sich übrigens hier…
Welcher Kontrast könnte hierzu größer sein als Roland Kochs betulich-verquastes im Herder Verlag erschienenes Machwerk „Konservativ“, an dem allenfalls verblüfft, dass der selbstentlassene Oberhesse die Chuzpe hat, in einem Atemzug die Begriffe konservativ und Reform zu verbinden. Aber gut, es ist müßig, über das Geschreibsel von Berufspolitikern zu räsonieren…
Unsere heruntergekochte Stimmung hellt sich erst wieder auf, als wir das freche Motto des Marixverlags vor Augen haben. Sehr bildungsbürgerlich irgendwie, aber immerhin programmatisch.
So langsam meldet sich bei unserem anstrengenden Rundgang der Magen zu Wort. Was vielleicht auch ausgelöst wird durch die Unmenge von Hallwags und Gräfe & Unzers, die kommerziell geschickt Lifestyle und Genuss in Koch- und anderen Buchformen an Mann und Frau bringen. Allein, die schönen Bilder sättigen nicht. Eher schon, die Kochvorführungen, an denen es auch in diesem Jahr wieder keinen Mangel hat.
Im Vorbeigehen stolpern wir übrigens sehr häufig über Apples iPad. Deutlich häufiger als über herkömmliche eBook-Reader. Kann es sein, dass Cupertino quasi im Vorbeigehen den eh etwas kränkelnden Markt der elektronischen Buchverwurster platt macht? Multifunktionalitäüt sells!?
Zeit für einen weiteren Lesetipp: Jedediah Berrys witziger, bei C.H.Beck erschienene Nichtkrimi „Handbuch für Detektive“ könnte uns glatt verführen, ins Regal zu greifen! Denn ganz entgegen dem Anschein ist das ebenso anspruchsvolle wie vergnügliche Literatur. Ein seltener Fall gerade in der heutigen kriminellen Literaturwelt…
Ungefähr so selten und genreuntypisch wie weiland Michael Endes unvergleichliches Werk „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“, dem wir hier in Lebensgröße begegnet sind und es uns mit Mühe verkneifen konnten, ein literarisches Selbstbildnis daraus zu machen.
Zunehmend ermattet nehmen wir gerade noch den so auffallenden wie eindeutigen Eyecatcher des auf Krimis spezialisierten KBV Verlags wahr…
…bevor wir uns mit neuem Genuss Sascha Lobos gewohnt routinierter aber gleichwohl lässig selbstironischer Inszenierung anlässlich seiner Neuerscheinung „Strohfeuer“ hingeben. Egal, was einige hoch angesehene Literaturkritiker sagen mögen, auch das ist ein guter Kauf und ein gelungener Lesespaß! Irokesenkamm hin oder her! Womit wir schon am Ende dieses ersten Teils unseres Buchmesserundgangs angekommen sind. Der zweite Teil folgt am späten heutigen Abend. Also: stay tuned!
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