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Die Bahn fährt immer… unpünktlicher!

Veröffentlicht in Gesellschaft, Mobilität, Technologie | 06. Oktober 2008 | 17:56:29 | Roland Müller

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Wer obiges Foto ganz genau betrachtet, dem wird eine Differenz auffallen. Nämlich jene zwischen der angegebenen Ankunfts-, bzw. Abfahrtzeit auf dem Display der Deutschen Bahn im Fernbahnhof des Flughafens Frankfurt und der analog dargestellten Uhrzeit auf der Bahnsteiguhr. Und genau damit sind wir dann auch schon beim Thema…

Wie jeder aufmerksame Leser der Wirtschaftspresse weiß, beabsichtigt Herr Mehdorn, der amtierende oberste Entscheider der Deutschen Bahn, sein unglaublich zukunftsträchtiges Unternehmen demnächst an die Börse zu bringen, wenn auch nur zu einem Teil. „Sein“ Unternehmen? Nun, die Deutsche Bahn ist in gewisser Weise und derzeit noch „unser“ Unternehmen. Nämlich ein staatliches Beförderungsunternehmen. Eines, das zudem unter einer Krankheit leidet, die zunehmend zur Selbsthilfe der Passagiere oder einfach nur zu knochenharter Satire animiert – Unpünktlichkeit! Und diese in einem Maßstab, der im Gebiet der EU vermutlich nur noch von einer Handvoll Neumitglieder übertroffen wird.

Da ich seit kurzem häufigere ICE-Fahrten zwischen Frankfurt am Main und Essen zu überstehen habe, weiß ich, wovon ich spreche. Einmal 17 Minuten und einmal volle 50 Minuten Verspätung auf der besagten Strecke, das produziert nicht nur Frust bis Wut, sondern darüber hinaus auch Kosten. Weil Anschlusszüge verpasst werden oder Kundentermine verlegt werden müssen. Kein Wunder also, dass auf der Internetseite der DB jene Seite, auf Informationen zu Bahnverspätungen zu finden sind, nicht auf der Hauptseite angezeigt wird. Na, warum wohl? Pünktlichkeit oder doch eher Peinlichkeit? Wo doch das alles angeblich nur dem ganz subjektiven Empfinden geschuldet ist?

Nun begleitet uns dieses Thema natürlich nicht erst seit heute. Bereits 2006 findet sich dieser nette ZEIT-Artikel online. Und in der Tat genügt oft schon ein Blick aus der Nähe auf die Trassen, um festzustellen, dass eine Vielzahl von Strecken in einem erbärmlich schlechten Erhaltungszustand ist. Bei einem bevorstehenden IPO ist natürlich kein Geld da, um die überfälligen Streckenreparaturen vorzunehmen. Denn schließlich müssen ja die anvisierten (institutionellen) Investoren mit freundlich schwarzem Zahlenmaterial angesprochen werden. Und da lässt sich mit einem boomenden Logistiksektor natürlich mehr Staat machen als mit dem nervigen Personenbeförderungsgeschäft, das zudem unter Unpünktlichkeit leidet.

Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Untersuchungen von Stiftung Warentest. Zuletzt durchgeführt im Februar diesen Jahres. Im Test waren die Ankunftszeiten von 94.136 Fern- und Regionalzügen im Zeitraum vom 23. September bis 31. Oktober 2007.

Ausgerechnet die Fernreisezüge erweisen sich dabei als besonders anfällig für Verspätungen. Wohlbemerkt, die Rede ist hier nicht von ein paar Minuten, sondern von Zeiträumen jenseits von 11 Minuten. Wobei es überhaupt nicht zu beruhigen vermag, dass „meine“ 50-Minuten-Erfahrung Frankfurt-Essen nur in 4% der Fälle Parallelen hat.

(Quelle: Stiftung Warentest aus obigem Artikel)

In der Summe ist die Unpünktlichkeit so gravierend, dass es fast verständlich wird, warum die Bahn ihre eigenen Statistiken eisern unter Verschluss hält – im Gegensatz beispielsweise zur auch in mancherlei anderer Beziehung vorbildlichen Schweizer Bahn SBB – künden sie doch von maroden Strukturen und einer unter der Ägide Mehdorn verfehlten strategischen Ausrichtung des Unternehmens. Wobei man generell den Sinn einer (Teil-) Privatisierung eines Unternehmens in Zweifel ziehen muss, das eine gesellschaftliche Aufgabe, festgeschrieben durch die Gemeinwohlverpflichtung im Grundgesetz, zu erfüllen hat.

Kein Wunder, dass sich zunehmend Widerstand formiert…

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