Kamera
Schokolade

Die Nackten und der Tote

Veröffentlicht in Kultur | 19. November 2007 | 20:04:48 | Dirk Kirchberg

Ist neun Tage her. Da ist er gestorben. Nach 84 Jahren Leben. War Schriftsteller, war im Krieg, zwar nur als Koch, aber eben im Krieg. Schrieb ein Buch über seine und die Erfahrungen anderer, mit 25. Über die Sinnlosigkeit, die Gewalt, die Gleichgültigkeit, die Routine. Nicht über das Große Ganze dahinter, sondern über das Detail im Alltäglichen. Das Buch gilt als eines der besten seiner Gattung. Er gewann den Pulitzer, mit 45.

Es geht um Norman Mailer. Zeitungen und Sendungen copypasteten, was Agenturen oder Feuilletons schnell gegoogelt, gewikipeditiert oder aus dem Kindler abgeschrieben hatten. Wenn nicht wirklich mal ein Redakteur tatsächlich etwas zu ihm zu sagen und/oder von ihm gelesen hatte.

Er war ein Kämpfer, er war laut, er hatte eine Meinung – auch wenn sie manchmal total daneben war. Er vertrat seinen Standpunkt, gern auch mit Fäusten. Den  Faustkampf liebte er, erlebte den Rumble in the Jungle. War wirklich Teil von etwas. Da kommt bei mir Neid auf. Ich wollte früher auch mal in den Krieg, als Fotograf, um was »Echtes« zu erleben. Was auch immer das damals sein sollte. Ein gepflegter Boxkampf zwischen zwei echten Kämpfern würde mir heute manchmal schon reichen.Will sich ja keiner mehr die Finger schmutzig machen – oder gar schwitzen. Schweiß war sicher ein großer Teil von Mailers Leben. Schließlich ist Schreiben wie Leben eine Anstrengung. Nichts gibt’s umsonst. Um das Gute muss man kämpfen. Und durchhalten.

Er war nicht stromlinienförmig. Er hat (nicht nur…) ein gutes Buch geschrieben. Mehr als die meisten von uns je zustande bringen werden. Er schrieb neben Truman und Hunter und Tom. Gründete eine Zeitung. Und er hat seinen ganzen Schreibkram inklusive Bücher an eine Uni für mehrere Millionen verkauft. Das werden wir nicht mehr können. Weil wir nur noch per Mail kommunizieren. Geht vermutlich alles verloren. Wahrscheinlich auch gut so. Und er wurde nicht müde, zu streiten. Unsere Streitkultur dagegen ist leider völlig verkümmert. Wenn’s geht, bitte pc. Wie langweilig.

Und nun? Ich werde in meinem Bücherregal sein Buch raussuchen, ein paar Seiten erneut lesen und  es dann neben meine Hemingway-Bücher stellen. Das hätte ihm sicher gefallen. Hemingway wusste auch, dass man kämpfen muss – und zuallererst durchhalten. Nur wäre Papa bestimmt nie in einer Sitcom aufgetreten. Das hat Mailer ihm voraus. Er sah cool dabei aus, sagte wenig und war trotzdem – oder gerade deswegen? –geistreich. Ist selten geworden…

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